Rose mit Dornen
Machtmissbrauch bei Rosas: Tänzer*innen erheben Vorwürfe gegen Anne Teresa de Keersmaeker
So ganz glücklich sind die Heilbronner Zuschauer nicht mit ihrem neuen Intendanten Martin Roeder-Zerndt, der vor zwei Spielzeiten neu in die Käthchenstadt gekommen ist. Das Tanzpublikum zumindest dürfte ihn lieben: seit er da ist, präsentiert das Heilbronner Theater regelmäßig exquisite Tanzgastspiele. Im letzten Jahr war Weltstar Michail Baryschnikow da, für diese Saison hat sich die berühmte Ballerina Sylvie Guillem mit einem modernen Programm angekündigt (vom 9. bis 12. Mai). Zur Spielzeiteröffnung gastierte jetzt Rosas, die Avantgarde-Kompanie der belgischen Choreografin Anne Teresa de Keersmaeker. Sie brachte ein älteres Stück mit, einen Rosas-Klassiker sozusagen, nämlich das vier Jahre alte „Rain“, getanzt zu Steve Reichs „Music for 18 Musicians“.
70 Minuten lang tummeln sich drei Männer und sieben Frauen, alle barfuß, in einem kreisrunden Spielfeld, das durch bühnenhohe Kordelschnüre mit Quasten abgegrenzt ist. Der belgische Modeschöpfer Dries van Noten hat ihnen hippe Hemden und Flatterkleidchen geschneidert, die Farbe der Kostüme wechselt im Lauf des Stücks fast unmerklich von Beige zu fröhlichem Pink und kehrt dann wieder zum alten Pastellton zurück. Keersmaeker choreografiert so, wie Reichs Musik komponiert ist: minimalistisch und repetitiv, aber gleichzeitig vorwärtsdrängend und stürmisch. Oft bleibt das Stück völlig frei von Tanz, wenn minutenlang nur gerannt und gelaufen wird, dann aber wieder stürzen sich ihre Tänzer voll Lust in die durchaus klassisch grundierten Bewegungen, die nur einfach freier, lässiger ausgeführt werden.
Stilbildende Elemente sind dabei neben dem federleichten Laufen das synkopierte Kippen aus der Senkrechten und der Kreis, den die Kordeln sozusagen als Arena vorgeben, in der man sich gegenseitig zuschaut. Mit den einhändigen Flips auf dem Boden gibt es auch winzige Anleihen beim Breakdance, und ganz selten einmal stellen sich die Tänzer an die Rampe, um wie beim richtigen Tanztheater prätentiös ins Publikum zu starren. Oft aber wirken die zehn Tänzer in ihren Partykleidchen wie spielende Kinder - Keersmaekers Tanz hat eine Leichtigkeit, ein feines Federn in sich, er wirkt vielleicht ein wenig versonnen und versponnen, aber er atmet.
Wenn die Tänzer am Schluss die Bühne verlassen, dann rennen sie leise, einer nach dem andern, hinter dem Kordelkreis hinaus. Die letzte von ihnen streicht dabei über die zahllosen Schnüre, eine fast magische Bewegung läuft durch das weite, leere Halbrund - als ob der Wind durch Regenfäden weht.
Besuchte Aufführung: 25.9.2005
Link: www.theater-heilbronn.de
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