Serge Lifars „Suite en blance“

...und die Matinee der Heinz-Bosl-Stiftung

München, 07/04/2005

Weil ihre Matinee erstmals in die Ballettwoche integriert war, konnten die Studenten der Bayerischen Ballett-Akademie München ihr Niveau auch einem Fachpublikum beweisen, das eigentlich wegen der „Großen“ angereist war. Die sahen im Beisein des Bayerischen Ministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Dr. Thomas Goppel, die in Deutschland seltene Begegnung mit einem 1943 entstandenen Werk Serge Lifars: „Suite en blance“, in München nicht nur eine Erstaufführung, sondern die erste Aufführung eines Lifar-Werks überhaupt. In dieser als „Perle des weißen Balletts“ bezeichneten Suite hatte Konstanze Vernon, die Leiterin der Ballett-Akademie und Gründerin der Heinz-Bosl-Stiftung, als Mitglied des Berliner Balletts 1962 mitgetanzt und war dafür als erste und bisher einzige deutsche Tänzerin von der Pariser „Akadémie de Danse“ mit dem Serge-Lifar-Preis ausgezeichnet worden, was ihr jetzt geholfen hat, die Aufführungsrechte an diesem Stück für ihre Matinee zu bekommen.

Einstudiert von Caroline Llorca, Alexandre Prokofiev und ihr selbst, gelang es den Studenten, die extremen Schwierigkeiten für 19 Solopartien, die mit all ihren Double Tours, Sprüngen, Kapriolen und Pirouetten als Trios, Pas de cinq und Pas de deux aus dem 27-köpfigen Corps de ballet serienweise hervorgehen, dank ihrer früh ausgebildeten Virtuosität flüssig und vollkommen synchron zu präsentieren. Wenn sie auch in Positionen mündeten, die hier und da noch etwas wackelig gerieten, so vermittelte diese Aufführung doch mehr als nur eine Ahnung davon, wie bezaubernd altmodisch und charmant diese Zurschaustellung solistischen Könnens gewirkt haben mag, als sie von den Etoiles und Solisten der Pariser Oper, für die sie gedacht war, aufgeführt wurde. Das hat den Wunsch geweckt, diese „Suite en blance“ einmal vom Staatsballett getanzt zu sehen - als französisches Pendant zu den Balanchine-Balletten.

In „Funny Flowers“ ließ Ralf Jaroschinsky 35 Studenten, die Monika Staykova in frühlingsbunte Farben gekleidet hatte, den Winterfirn abschütteln und sich in amüsanten Attitüden wohlig entfalten. Es war eine choreografisch leichtgewichtige Spielerei, in der die beiden Ausschnitte aus Tschaikowskis „Nussknacker“, durch Einzeleinfälle dominiert, in kleine Teile zerfielen: Mal ergab sich eine aus allen Tänzern gebildete bühnenflächendeckende Blume, mal wackelten Kopf-Schultern-Hüften-Knie im Bauchtanz-Twist, mal schloss sich die Gruppe zu einer üppig sprießenden Blume zusammen, aus der gestreckte Arme oder Beine als Einzelblätter heraus stachen.

Im traditionellen Matinee-Teil „Talente von heute, Stars von morgen“ stellten sich die Absolventen Jurgita Dronina und Avetik Karapetyan mit dem „Corsaire“-Pas de deux als zu besten Hoffnungen berechtigende Träger des Förderpreises des Freistaats Bayern vor. Sie tanzten später noch „Sie und Er“ von Anzelika Cholina, einen Tango-Pas de deux, sehr schön modelliert in seinen liebevollen Animostäten. Carmen Nunes bewies in der „Carmen“-Variation von Alberto Alonso, wie viel Persönlichkeit so früh schon da sein kann - was zu fördern ja auch zum Programm einer Akademie gehört. Eun Na Kong meisterte eine „Dornröschen“-Variation technisch sauber, ehe Denys Cherevyschko ein hochvirtuose, anderthalbminütige Solo-Variation aus Wainonens „Flamme von Paris“ zeigte.

Als letzter dieses Teils verblüffte sein Freund und Konkurrent Zherlin Ndudi mit dem „Hummelflug“ von Anzelina Cholina. Beide sind die heißesten Wettbewerbs-Kandidaten der Bosl-Stiftung: Der 17jährige Ndudi hat, jeweils einen Platz vor Cherevyschko, die Goldmedaillen der Wettbewerbe von Kiew und Berlin gewonnen und war bester männlicher Teilnehmer beim „Prix de Lausanne“. Jetzt reisen beide in Kürze zum Wettbewerb nach Moskau.

„Dancing Bach“ von Robert North beendete diese Matinee als abwechslungsreich gebautes Ensemble-Stück, schön anzusehen in der Einstudierung von Michelle Emerre und den Kostümen von Staykova. Es vermittelte den Eindruck vom Reichtum der Bosl-Stiftung an Talenten und dem hohen Niveau der Ausbildung, die international konkurrenzfähig machen muss und macht.


Besprochene Aufführung: 03. April 2005, Matinee
Links: Bayerisches Staatsballett / Heinz Bosl Stiftung

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