Kopf und Hirn einer Inszenierung werden

Neuer und wohl letzter Jahrgang beim Berliner Choreografiestudium

Berlin, 06/10/2006

Langsam zieht die Karawane weiter. Im bat an der Belforter Straße hatten Studenten der höheren Jahre den Neuankömmlingen Stücke gezeigt, im Domizil des Studiengangs Choreografie in der Immanuelkirchstraße führten Kommilitonen und Lehrkörper sie in die Fächervielfalt ein. Die wenigen Gehminuten vom Theater zum Campus beherrschten Neugier und Annäherung. Dass sich auch die angehenden Schauspieler über den Ausbildungsweg ihrer Choreografenkollegen informierten, ist Konzept: Vom produktiven Miteinander zehren seit jeher beide unter dem Dach der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch angesiedelten Studiengänge. Im Musikzimmer improvisierten Studentinnen auf dem Flügel, spielten Stockhausen. Partituren lernen sie im Pflichtfach Musik lesen, um Komponisten ernsthafte Partner zu sein.

Vier Etagen höher stellten im Theorieraum Studenten originell den weiteren Fächerkanon vor: Musikgeschichte, Dramaturgie, Lichtdesign, Bühnenbild/Kostüm, Kultursoziologie, Ästhetik, Multimedia. Anatomie sichert, dass die künftigen Choreografen ihre Tänzer nicht überfordern, Tanzpädagogik, dass sie ihnen ihr Anliegen verständlich machen können. Hauptfach ist freilich Choreografie, als Handwerk, wie man Menschen im Raum platziert und bewegt, gelehrt auch von Gästen aus der Praxis. Mit einer Improvisation in einem der lichten Studios nahmen die Studenten die Neuen endgültig in ihre Reihen auf.

Je vier Frauen und Männer haben sich für die vierjährige Fortbildung zum Choreografen entschieden. Bikash Chatterjee absolvierte die Berliner Tanzakadamie und die Royal Ballet School London, tanzte an der Deutschen Oper Berlin und in Halberstadt. Choreografie hat ihn immer gereizt, das Studium soll ihm Horizonte öffnen; Arbeit mit Jugendlichen könnte er sich später vorstellen. Katharina Resch studierte Biologie in Deutschland und Spanien, bis das Interesse an Theater, Tanz, Akrobatik sie abwarb. Teil eines künstlerischen Prozesses möchte sie sein, mit anderen die Möglichkeiten des Tanzes erweitern, den Zuschauer emotional bewegen. Aus einer erfolgreichen Karriere kommt Stephan Ehrlicher. Nach der Ausbildung in Leipzig tanzte er an der Semperoper Dresden, in Helsinki, Bern, Lissabon, Wien. Erst vor zwei Jahren entstand der Wunsch, den Tanz aus anderer Perspektive zu erleben, Kopf und Hirn einer Inszenierung zu werden, gern wieder im Ausland.

Stilistisch legen Dietmar Seyffert, Gründer und Leiter des Studiengangs, und Ingo Reulecke, Absolvent und Abteilungsleiter Tanz, ihre Studenten nicht fest. Vollgestopft sind die zwei Jahre des Grundstudiums; Workshops und Praktika, etwa Regiekurse, Sprecherziehung, Szenenstudium, sowie die Diplomarbeit füllen das Hauptstudium. Was sich seit 1987 mit rund 45 Absolventen bewährt hat, dürfte ein Auslaufmodell sein: Ob das neu installierte Choreografiestudium im Rahmen des Tanzplans Berlin Raum für den „alten“ Studiengang über 2010 hinaus hat, ist ungewiss.

Kommentare

Noch keine Beiträge