Das übermenschliche Maß

St. Pölten: Elfriede Jelineks „Ikarus“ vertanzt

St. Pölten, 24/06/2006

Einen vielschichtigen Text hat sich Violanta de Raulino für ihre Uraufführung im Festspielhaus St. Pölten ausgesucht. Elfriede Jelinek schrieb für die Choreografin „Ikarus“ mit dem Untertitel „Ein höheres Wesen“.

Verwoben wird darin der Mythos des zu nahe an die Sonne fliegenden Sohnes des Architekten Daidalos mit der technisierten heutigen Welt: Wie Einer sich anmaßt, es mit der Luft zu treiben, angestachelt von Erfolgszwang und Abenteuerlust. Dahinter der vermessene Anspruch nach Überwindung der Elemente, der den Menschen gerne in gottähnliche Sphären bringt.

Der Ausnahmetänzer Karl Schreiner ist auf der Hinterbühne des Festspielhauses Ikarus. Hinter dem halb geöffneten Eisernen Vorhang tut sich ein von Lichtspuren durchzogenes Dunkel auf. Einer Landebahn gleich, die den in Binden gewickelten Menschen aufnimmt. Der arbeitet mit seiner Kraft, koste es was es wolle, explodiert in einem Bewegungs-Stakkato der Arme, als mache er Krieg und dehnt seine Muskeln, bis ihm ein Röcheln entfährt.

Josef Klammer hat Jelineks Stimme bearbeitet und zum Soundsystem gemacht, das die Tour de Force des Ikarus trägt. Ein interessantes Solo, das sich wohl noch ausbauen ließe. Der Uraufführung voran gingen Videochoreographien von Bernd R. Bienert und Milli Bitterlis ekstatisches Damenquartett „Die Verschleuderung des Ich“.

Link: www.festspielhaus.at

 

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