Probe mit Marcia
Intime Einblicke beim „Training zum Zuschauen“ mit Marcia Haydée beim Staatsballett Berlin
Festglanz mit nachdenklichen Akzenten
Glamourös versprach das Staatsballett Berlin die neue Saison einzuleiten: mit einer Gala und, falls zusätzlich gebucht, anschließendem Luxusdiner in allen geeigneten Räumen der Lindenoper, vom Apollo-Saal bis ins Souterrain der Konditorei. In der Tat darf man dem gut zweistündigen, von der Staatskapelle unter Paul Connally hochrangig begleiteten Defilee hauseigener und internationaler Stars einen vollen Erfolg attestieren. Dass überdies von jedem der gehoben kalkulierten Billetts 10 Euro an die ACHSE flossen, eine Allianz von Selbsthilfegruppen zur Unterstützung für Menschen mit seltenen chronischen Krankheiten, verknüpfte Kunst mit einem guten Zweck und gab Bundespräsidenten-Gattin Eva Luise Köhler Gelegenheit, als Schirmherrin die Benefiz-Gala zu eröffnen.
Ob das Adagio aus „Schwanensee“ der richtige Programmauftakt war oder ein fulminanter Beitrag nicht doch günstiger gewesen wäre, bleibt Ansichtssache. Mit welcher Armkultur Lucia Lacarra vom Bayerischen Staatsballett München das traumverlorene Duett mit ihrem sensiblen Berliner Kollegen Wieslaw Dudek vor edel konturierender Schwanengruppe gestaltete, steht indes außerhalb jeder Frage. Als ungewöhnliche Ballerina, hier ganz Kindfrau, erwies sie sich, zusammen mit ihrem angestammten Partner Cyril Pierre, ebenfalls in einem Traum-Pas de deux aus Roland Petits Proust-Paraphrase „Les Intermittences du Coeur“.
Wie gut Friedemann Vogel vom Stuttgarter Ballett und Berlins Polina Semionova harmonieren, konnten sie in der Balkonszene aus Crankos „Romeo und Julia“ ein weiteres Mal beweisen. Vogel, mit rotem Tuchmantel kometenhaft über die Szene flatternd, ehe er sich der Angebeteten prinzenhaft zu Füßen wirft, gehört zu jenen Ausnahmetalenten, die man gern öfter in Berlin sähe.
Ihre darstellerische Begabung durften beide Erste Solisten zudem in „Come neve al sole“ ausstellen, einem witzig originellen, ganzkörperlich fordernden Geschlechterkampf des jungen Stuttgarter Tänzerchoreografen Rolando D‘Alesio zu einer Tangoadaption nach Chopin.
Als „gemischtes“ Doppel bewährten sich in Balanchines „Tschaikowsky-Pas-de-deux“, einem außergewöhnlichen Solisten gewidmeten Kronjuwel festlicher Galas, gleichfalls Gillian Murphy vom American Ballet Theatre in New York und ihr Berliner Kompagnon Dinu Tamazlacaru: sie posensicher, mit ungemein flinken Drehkaskaden, etwas überkonzentriert, er wehenden Haares mit ungestümen Sprüngen, sicher gelandetem Schlussknie, jungenhafter Strahlkraft.
Nicht verstecken hinter so viel internationalem Gefunkel mussten sich die „reinen“ Beiträge des gastgebenden Staatsballetts. Schon in „Stars and Stripes“, Balanchines korkenknallend schmissigem Bekenntnis zur Wahlheimat USA, setzten Corinne Verdeil als Ballerina in Gelb und Rainer Krenstetter mit betresster Husarenuniform Maßstäbe, wie ansteckend fröhlich und zerfließend lukullisch man, im Marschrhythmus salutierend, technische Finessen servieren kann. Mit „Transparente“, einer stimmungsvollen Impression unterdrückter Spannungen, setzten Beatrice Knop und Roland Savkovic dem Festglanz nachdenkliche Zeichen und stellten nebenbei Savkovics choreografische Qualitäten aus. Beeindruckten er und Nadja Saidakova in einem hebeintensiven Pas de deux aus MacMillans „Manon“ durch starke Persönlichkeit, so geriet der wettbewerbsgeplagte Grand pas de deux aus „Le Corsaire“ in Iana Salenkos und Marian Walters bravourös lupenreiner, feinnerviger Interpretation zu einer Hommage an den mühelos beherrschten akademischen Kanon. Ballettintendant Vladimir Malakhov wusste im berührenden Dialog mit einer Maske als zweitem Gesicht, wie ihn Val Caniparoli, Hauschoreograf des San Francisco Ballet, ersonnen hat, wunderbar sein Künstlertum zu entfalten und beschloss gemeinsam mit Gillian Murphy und dem Staatsballett im Finalsatz aus Balanchines „Ballet Imperial“ einen Festabend, dem nun der Alltag auch im Ballett folgt: mit breitgefächertem Repertoire, Jerome-Robbins-Programm und Ashtons „Sylvia“ als Premieren. Man sieht sich zur nächsten Gala, Malakhovs 20.jährigem Bühnenjubiläum im Februar.
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