Ära kontra Ehre: Es lebe der kleine Unterschied!

Die letzte Vorstellung des „balletttheater münchen“

oe
München, 22/07/2007

Abschiede stimmen unweigerlich nostalgisch – verklären oft die zu Ende gehende „Ära“, ungeachtet ihrer künstlerischen Bilanz. Wenigstens meistens (ich wage nicht, die künstlerische Bilanz der „Ära Ben van Cauwenbergh“ in Wiesbaden zu beurteilen). Die Bilanz von Philip Taylor nach zehn Jahren „balletttheater münchen“ am Staatstheater am Gärtnerplatz – so aktuell sind sie dort, dass sie balletttheater wirklich mit drei t in der Mitte schreiben – fällt indessen so eindeutig positiv aus, dass man den Kummer versteht, den viele – nicht nur – Münchner Tanzfreunde empfinden, als sie an diesem Abend Abschied nehmen mussten von Taylor und seiner auf ihn eingeschworenen Kompanie.

Es war ein Abschied aus künstlerischer Selbstachtung – nicht, weil ihnen vom neuen Intendanten gekündigt worden wäre (ein ähnlicher Fall steht Nürnberg im nächsten Sommer bevor). Taylor befürchtete offenbar, dass „die Chemie“ mit dem neuen Intendanten nicht mehr stimmen würde. Sehr ehrenhaft für ihn, dass er sich nicht darauf einlassen wollte. Aber die Folgen für die 21 Tänzer? Ein Gewissenskonflikt! Keine melancholischen Gefühle an diesem letzten Abend mit den „Goldberg Variationen“ und der „Rhapsody in Blue“, der noch einmal die technische und stilistische Bandbreite der Kompanie und ihres Choreografen auf Hochglanz poliert demonstrierte. Die Strenge und Musikalität ihrer rein konzertant-konstruktiven Strukturen und ihren überschwappend theatralisch-kommunikativen Esprit. Ihre ethnische Multikulti-Herkunft und ihre künstlerische Integrität. Als theatralisches Modell sozusagen der derzeit so viel diskutierten nationalen Integrität unserer vielen Migranten-Mitbürger.

Viel Jubel am Schluss, viele Blumen, erst auf der Bühne überreicht, dann ins Publikum geworfen – viele Umarmungen und Küsschen auch nebst ein paar lockeren Tränen. Trotzdem hätte ich mir eine etwas einfallsreichere Inszenierung dieses Finales gewünscht. Ein paar offizielle Danksagungen – auch wenn sie vom Publikum nicht sonderlich goutiert werden – vom Intendanten des Hauses (der ja allen Grund hat, auf sein balletttheater stolz zu sein), vom zuständigen Staatsminister, vielleicht sogar vom anwesenden Staatsballett-Kollegen, eventuell auch von einem der landauf, landab tätigen Kollegen (ich denke etwa an Nürnberg und Karlsruhe) – schon um der Öffentlichkeit noch einmal nachdrücklich klar zu machen, was sie mit der Aufgabe des „balletttheaters münchen“ verliert – die ja nicht etwa durch eine künstlerische Insolvenz (was man früher einen Bankrott nannte) herbeigeführt wurde, sondern lediglich durch eine theaterpolitische Richtungsänderung. Schade drum! Ever so sorry!

 

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