Kochender Saal
Fotoblog von Dieter Hartwig
Im RadialSystem singt und tanzt sich „The Scorpionfish“ durch Asiens Tradition
Percussion und Metallklang überlagern leises Zirpen. Allmählich schält sich aus dem Dunkel eine Gestalt inmitten schwarzer Lautsprecher. Wie eine Geisha mit Pagenschnitt wendet sie sich auf Kothurnen dem Zuschauer zu, dreht kunstfertig die Hände. Schick, abweisend, fremd wirkt sie in ihrem Schreittanz, dem die Klacks überhoher Pumps akustische Struktur geben. Als Chiffre einer anderen Welt zwischen Cleopatra, böser Fee Carabosse und mandeläugiger Sphinx, gewandet in tiefstes Schwarz, wandert sie durch einen Lautgarten aus sechs Verstärkern. Hände senden Signale in den Raum, holen etwas heran, wischen es wieder fort. Keusch senken sich Wimpern überm Spiel mit einem langen Schal, binden ihn zur Schleife. Dann beginnt die dunkle Puppe zu singen, lieblich gestikulierend wie ein Stummfilmstar, in unverständlicher Sprache.
Von Glück und Geld verlassen, weiß das Programmheft, hockt eine Frau in ihrem indonesischen Zimmer. Regen und Fieber plagen, ein Buch über Insekten unterhält sie, Straßengeräusche dringen zu ihr. Wer das nicht sieht, hat dennoch seine Freude am rätselvollen Geschehen im RadialSystem. Die Australierin Joanna Dudley zelebriert dort als „The Scorpionfish“ die Begegnung asiatischer Tradition mit westlicher Verarbeitung. So singt sie hinreißend melancholischen Liebesschmerz-Pop aus dem Java der 1960er sowie Songs aus Südostasien, Hawaii und China, in Timbre und Stimmführung bis auf den Schluchzer in der Kehle täuschend echt. Aufreizend langsam bewegt sie ihren Körper, zitiert javanische Hoftänze, adaptiert Figuren des indonesischen Wayang-Schattentheaters. Gemeinsam mit der elektronischen Komposition von SchneiderTM und in Nicola Mascias Choreografie changiert die Kunstfigur immer wieder zwischen Asiens Formgebundenheit und westlichem Gestaltungswillen.
Hinter einem runden Schirm ereignet sich die Metamorphose. In unsichtbarer Verwandlung legt sich der Vamp dessen hellen Stoff um und trippelt ohne Pumps zu Regenrauschen singend durch den Raum. Wie eine dunkle Calla ragt da der Kopf schräg aus seinem Kokon, unter dem sich der Leib rankt und biegt. Als sie die Hülle sprengt, zu Boden sinkt und piepsende Geräte hervorzaubert, sitzt sie wie an einem weißen See, auf den zu anmutigem Gesang Rosenblätter rieseln. In Body und Strumpfhalter betasten ihre Hände anzüglich lustvoll den eigenen Körper, ehe sie mit Lampion durch Froschgequak geistert und den entkleideten Schirm zusammenklappt. Die letzte Transformation vollzieht sie hinein in Kimono und Schärpe. Das Klingling eines mehrteiligen gläsernen Kopfputzes begleitet den A-cappella-Finalsong. Kein bizarres Verschwinden mehr - gleich Verbeugung. Dennoch eine anregend fantasievolle Performance in Bernd Skodzigs verblüffender Kostümerfindung.
Nochmals 12.-14.1., 20 Uhr, RadialSystem, Holzmarktstr. 33, Mitte,
Kartentelefon 288 788 588, online unter www.radialsystem.de
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