Auf dem Narrenschiff
Ein Fotoblog von Dieter Hartwig über Toula Limnaios' „la nef des fols“
Nach mehreren Gruppenstücken beschränkt sich Toula Limnaios in ihrer neuen Produktion auf die kleinste Form, das Solo. „simply gifts“ trägt den Anlass im Titel: Die fünf Miniaturen sind Geschenke an ihre Tänzer, spiegeln den choreografischen Blick auf Wegbegleiter wie deren Sicht auf sich selbst. Spielerisch sind die Tanzmonologe ineinander gewoben. Als inhaltliche Klammern lassen sich ausmachen: innere Zustände freilegen, verborgene Träume visualisieren, das, was man sich wünscht, nicht bekommt oder nicht ist. Gänzlich weiß ausgehängt ist dazu die TanzBühne HALLE an der Eberswalder Straße. Links Kleiderständer und ruhender Ventilator, rechts unbeweglich auf tiefem Sessel neben einem Radio ein Mann in Pyjama und Morgenmantel. In der Raummitte liegt eine Frau, deren Kopf in einem Koffer steckt. Mercedes Appuglieses Solo eröffnet aus der stehenden Installation heraus den 75-minütigen Abend.
Zu einer Collage aus Musik und Text sucht sie nach Standfestigkeit, knallt den helmbewehrten Kopf auf den Boden. Als sie die klobigen Sportschuhe ablegt, knicken ihre Füße in den Pumps darunter hilflos auf die Innenkante. Alles scheint auf sie einzustürzen, bringt sie in absurden Figuren zu Fall. Die Verwandlung gelingt am Ende: Nochmals schiebt sie den Kopf in den Koffer; als sie ihn herauszieht, hat er den hinderlichen Helm abgestreift. Aufrecht geht sie ab. Fordernde Texte nach Name, Adresse, Telefon überlagern die nervös fahrigen Bewegungen und ruckhaft impulsiven Gänge, mit denen der Pyjamamann somnambul den Raum durchmisst. Kurz nur bietet eine Frau ihm Halt, nimmt dann auf dem Sessel Platz; eine andere zieht mit pelzigem Barett dahinter ihre Bahn. So sehr Carlos Osatinsky seine Extremitäten sortiert, so sehr die Beine ausschlagen - seinem Körper vermag er nicht zu entfliehen.
Aus einem Kasten an der Decke klettert per Knotenstrick Hironori Sugata herab, bleibt an seiner Longe gefangen. Das erlaubt ihm, in allerlei Schräglagen zu fliegen, über Kopf zu hängen, Kung fu-Tritte zu wagen. Seine Freiheit in der Begrenzung weiß der behinderte Samurai zu nutzen, schwingt zu metallischem Klang akrobatisch mutiger, löst sich gut getimet vom Seil, um freiwillig in sein Baumhaus zurückzukehren. Die geschlossenste Miniatur des Abends. Um die Verletzlichkeit in zarter Eigenhaut drehen sich, inspiriert von Texten Maxie Wanders und Samuel Becketts, die Soli von Katja Scholz und Ute Pliestermann. Die eine fragt, barbusig auf dem abgelegten Pelz vorwärts rutschend, nach Liebe, Sex, Geborgenheit, wandelt sich zum gesichtlosen Zottelwesen, dem es vermeintlich gut geht. Die andere, elegant im Hosenanzug, fordert von jemandem Dinge, die der nicht erfüllen kann, weil er offenbar nicht existiert. Hinter einer vergrößernden Glaskugel fahndet sie nach dem wahren Gesicht, wird zur windumwehten Geisha im Boafummel, schmückt sich mit künstlichem Schmollmund, strandet wie gekreuzigt in einem umgekippten Stuhl. Leicht scheinen es Tänzer mit sich nicht eben zu haben.
Wieder 9., 13.-16.12., 20 Uhr, HALLE, Eberswalder Straße 10-11, Prenzlauer Berg, Kartentelefon 440 442 92
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