Feinfühlige Porträts schüchtern Verliebter

Im Tacheles singen und tanzen die wee dancers „nebenan“

Berlin, 06/09/2007

Den ganzen Abend über reißt die Parade der Popsongs aus den 1980ern nicht ab. Christopher Cross, Lee Mahl, Michael Jackson. Aus einem Nebenraum dringen die Ohrwürmer gemeinsam mit Farblichtgeflacker auf die Bühne des Tacheles. Dort sitzt unter Girlanden und Lampions eine Frau, nestelt an ihrer Kleidung herum, wartet kribblig. Auf Freunde, Nachbarn, Partygäste. Zwei junge Männer tauchen aus der Diskohölle auf, bedienen sich am Büffet, platzieren sich neben der Frau. Doch niemand beachtet den anderen, alle Anmachversuche der Frau scheitern. Drei Menschen voller Sehnsüchte, Wünsche, Hoffnungen, unfähig, das gemeinsam Gewollte zu synchronisieren.

„nebenan“ nennt sich die neue Produktion der wee dance company, mit der die drei Gründer einer der substanzreichsten, vielseitigsten, international aktivsten Berliner Formationen nach längerer Phase separater Pläne wieder zusammentreffen. Während Dan Pelleg und Marko Weigert unverändert seit 1999 unter dem Gruppennamen firmieren, hat sich Sommer Ulrickson ab 2002 eigenen Projekten zugewandt. Nun ist sie in dem einstündigen Stück Teil einer latenten Dreierbeziehung, in der die Gefühle hochkochen, ohne je zur Erfüllung zu kommen.

Jeder ist, dramaturgisch klug gebaut, einmal der Ausgestoßene, Einsame, der in einem Solo seine Emotionen auslebt, ehe er in einem Anfall von Mut der Diskohölle zustrebt. Von dort kommen ihm jeweils die anderen zwei entgegen. Aus dieser Konstellation entwickeln sich erfinderische Duette und Trios voller Begehrlichkeiten, akrobatischer Verkettungen und Verschlingungen. Musik Händels als Stimmungsfolie übertönt dabei den Popsound. Häufig entlädt sich im Höhepunkt die Empfindung in edel mehrstimmig gesungenen Liedern, amerikanischen, finnischen, hebräischen. Dann scheinen sich die drei vorübergehend wie in einem schönen Traum zu finden. Dass Tanz in sanft übereinander rollender Bodenaktion und Gesang bisweilen sogar parallel laufen, fordert die Darsteller ungewohnt und verfugt anregend die beiden Künste.

In jedem ihrer Stücke beweisen die wee dancers indes auch Witz. Hier etwa in einem wassergurgelnden Terzett oder in Gesang, der sich aus dem Sprechen ergibt. Und als endlich der eine Mann einschläft und das verbleibende Paar seine Chance wittert, ins Abseits zu verduften. Einmal nur kommen Eifersucht und Aggression ins Spiel, weil die Dreierformation nicht funktioniert, die Frau aber entschlusslos zwischen ihren Gefährten pendelt. Am Ende sitzt sie wieder allein auf dem Stuhl und singt, die Stimmen der unsichtbaren Männer mischen sich ihrem Lied bei. Den drei Tänzer-Choreografen ist mit „nebenan“ ein feinfühliges Porträt in Schüchternheit befangener Menschen gelungen, das nahtfrei Pop und Klassik, Gesang und Tanz verknüpft und dank Milos Vujkovics Lichtregie in den nüchternen Raum des Tacheles Theateratmosphäre zaubert.

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