Chaos bleibt reine Theorie

„Schmetterlingsdefekt“ der Wee Dance Company aus Berlin beim Tanzfestival

Heilbronn, 02/06/2009

„Jetzt rechts fahren. Links abbiegen, dann dem Straßenverlauf folgen.“ Die fünf Tänzer der Berliner Wee Dance Company lassen die Anweisungen des Navigators links liegen. Sie sind mit Umzugkartons beschäftigt, balancieren ein Kugelaquarium mit Goldfisch über die Bühne, bauen aus der Pappe ein Häuschen fürs kleine Glück eines großen Pas de deux – und zu lyrischen Klängen eines altschwedischen Liedes, kommt, was kommen muss: Das schnell geschusterte Heim fällt auseinander.

Hoch hinaus wollen die beiden Tänzer-Choreografen Dan Pelleg und Marko E. Weigert zusammen mit den Tänzerinnen Nora Hageneier, Anne Schmidt und Kathinka Sonneborn in „Schmetterlingsdefekt“, wie sich das auf die Chaostheorie anspielende Unterfangen nennt. Sie schieben, drehen und kippen fünf schrankgroße Elemente zu unterschiedlichen Formationen, agieren in den Zwischenräumen, vollführen Balanceakte am Rande der aufeinander getürmten Kästen. Höhe und Breite nutzend, wird die Bühne des Komödienhauses zum Abenteuerspielplatz. Doch der Anspruch, ein Stückchen Chaostheorie auf die Bühne zu bringen, bleibt Theorie. Zeitgenössischer Tanz in wohlgeordneten Bahnen, locker vorgetragene Schrittfolgen garniert mit artistischen Hebungen und banale Aktionen sind die Praxis. Mehr auf Bildwirkung als auf schlüssige Dramaturgie bedacht, wird die Bühne urplötzlich in grün-orangefarbiges Licht getaucht und, ebenso unmotiviert, wandert eine der Tänzerinnen bauchfrei an die Rampe, trägt im Mund ein Plastiksäckchen mit Goldfisch. Klingt irgendwie originell, ist es aber nicht, denn fast alles dieser Produktion hat den Hautgout des schon x-mal Gesehenen. Selbst der Titel ist abgekupfert vom Buch „Schmetterlingsdefekt“ des Tübinger Physikers, Philosophen und Tänzers Marco Wehr. Fazit: Recyceln ist im Kulturbetrieb alter Brauch und Wiedersehen kann durchaus Freude machen, vor allem wenn nach Erneuerern ehrliche Vollender am Werk sind. Doch davon ist diese Berliner Tanztruppe weit entfernt.

www.wee-dance-company.de
www.theater-heilbronn.de

Anmerkung der Redaktion: Wir haben folgenden Satz aus der Kritik gelöscht, weil er zum Zeitpunkt der Veröffentlichung einen Fehler enthielt: „Virtuos inszenierte Pappkartons von La Fura dels Baus bis Joachim Schlömer (im Tangostück), Tanz mit Schrankelementen in Sidi Larbi Cherkaoui „Sutra“, choreografische Anleihen bei französischen Tanzvideos und Goldfische von nackten Mädchen präsentiert im japanischem Experimentaltheater.“

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