Über den Tisch gezogen
Fattoumi/Lamoureux aus Frankreich eröffnen das Festival „Tanz! Heilbronn“
Black Blanc Beur aus Paris mit "Si Je T’M" zu Gast bei "Tanz! Heilbronn"
Die aus der Hocke kommen. Explosive Bewegungen, Kracher aus der Tiefe, einst im russischen Kasatschok bewundert, haben in irrwitzigen Variationen die multi-ethnische Welt der Hip-Hopper erobert. Kopf über, Kopf unter, schnelle Trippelschritte in der Brücke rücklings, dabei über die Seite gedreht und in einen einarmigen Ellbogenstand gestemmt, weiter aufwärts in den Handstand gedrückt und – believe it or not! – eine Serie Chaînés en manège auf Händen vollführt! Als wär’s nicht mehr als ein Zungenschnalzen schnurren die acht Break-Tänzer der französischen Compagnie Black Blanc Beur das schweißtreibende Körpervokabular mit heiterer Leichtigkeit ab. Mischen Hechtrollen und Überschläge in die temporeiche Artistik. Rotieren die Beine in der Luft wie Propeller. Gleiten, japanischen Ninjas gleich, lautlos über den Boden: Tanztechnik vom Feinsten. Den Zuschauern in den Heilbronner Kammerspielen vergeht Hören und Sehen. Immer wieder brandet Szenenapplaus auf.
Gemeinsam mit dem Arzt und Karatekämpfer Jean Djemand hat die Choreografin und Historikerin Christine Coudun vor 25 Jahren Black Blanc Beur gegründet. Sie gehört zu jenen Pionieren, die den Kampftanz der Straßenkinder professionalisiert und bühnenreif gemacht hat. Ihr fiel auf, dass es unter Breakern zwischen Jungs und Mädchen wenig Kontakte oder gar Liebesbeziehungen gibt. In „Si Je T’M“ (Wenn ich dich liebe) bricht sie mit dem szenetypischen Tabu. Statt cooler Aktion, Aggression und eskalierender Gewalt thematisiert sie die Überwindung der Scheu vor eigenen Gefühlen, zärtliche Nähe und heiße Emotionen. Im Fluss aufpeitschender Rhythmen – unter anderem Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ - entsteht eine Art Sostenuto aus lyrischen Inseln. Da hocken die drei Affen, die nichts hören, sehen und sagen wollen. Zu einem elegischen Duett voll prekärer Balancen suggeriert Grillengezirp eine laue Sommernacht, in der Zärtlichkeiten im Kopfstand ausgetauscht werden. Annäherung auf sanften Pfoten zu Camille Saint-Saëns „Karneval der Tiere“, ausgefeilte Stunts und blitzschnell beschleunigte Spins zu Tschaikowskys „Schwanensee“-Walzer. Ein hinreißendes Stück, auch wenn die schauspielerische Qualität – stereotypes Lächeln und gemimte Fußtritte – hinter der brillanten Tanztechnik zurück bleibt und die Szenenfolge dramaturgisch verdichtet werden könnte.
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