Gianin Loringett

Gianin Loringett ist Tänzer, Choreograf und Lehrer für Jazztanz in Nizza

Nizza, 09/09/2008

In den Jahren 70/71 bin ich damals in London in den Unterricht von Matt Mattox gegangen und war als klassische Tänzerin gleich von seiner Jazz-Technik begeistert. Als ich 1978 beim Scapino-Ballett in Holland tanzte, kam Matt Mattox, um für uns eine Choreografie zu erarbeiten, und ich war dabei! Er hat mich fertig gemacht, denn er wollte immer mehr und mehr. So bin ich als klassische Tänzerin zum Jazz gekommen. Lange habe ich danach gesucht, wo ich einen Lehrer finde, der so methodisch wie Mattox Jazz unterrichtet. Vor drei Jahren besuchte ich mit vier Schülerinnen in Nizza einen Sommer-Workshop im „Off Jazz“ und lernte dort Giannin Loringett kennen. Den Sommer darauf habe ich sogar selbst mit ihm getrommelt und die Löffel geschlagen! Es gibt nicht viele Leute in Deutschland, die seinen Unterricht kennen und deshalb möchte ich meine Reportage mit ihm beginnen. Und ich weiß jetzt nach meinem Interview mit ihm, warum er mich so an Matt Mattox erinnert. Der Unterricht von Gianin Loringett ist vor allem sehr rhythmisch. Gianin war zunächst Musiker und hat erst spät zum Tanz gefunden. Das bereichert seinen Unterricht, denn er begleitet ihn immer mit sehr unterschiedlichen Instrumenten. Da gibt es die „Bones“ (Knochen) oder die Löffel und die ganze Reihe der Percussioninstrumente. Gianin ruft regelmäßig Schüler auf, die ihn rhythmisch bei einer Übung begleiten sollen.

Sein Unterricht ist in drei Phasen aufgeteilt:
1. Teil: Aufwärmen, Muskeln aufbauen, viel am Boden und barfuß bewegen.
2. Teil: Jazzschuhe anziehen und an Technik und Koordination arbeiten, mit verschiedenen Schrittkombinationen.
Im 3. Teil wird eine kleine Choreografie erarbeitet. Ich finde, dass Gianin Loringett ein hervorragender Pädagoge ist. Er hat ein Auge auf jeden Schüler im Ballettsaal. Die Schüler fühlen sich beobachtet und ernstgenommen, und wenn er an manchen Tagen schreit, dann ist es - wie er mir sagte – nicht, weil er böse ist, sondern um die Schüler anzuspornen!


Sechs Fragen an Gianin Loringett

1. Wie und wann sind Sie zum Unterrichten gekommen?

Als ich 1972 in London mit Matt Mattox gearbeitet habe, durfte ich ihn öfter in seinem Unterricht vertreten. Ich habe schon immer gerne Erfahrungen weitergegeben.

2. Welche Meister haben Sie nicht vergessen und warum?

Matt Mattox. Er war und ist immer noch sehr anspruchsvoll. Er ist heute noch für mich so wichtig, dass sein Bild bei mir im Ballettsaal hängt. Er hat mir nicht nur die Technik beigebracht, sondern vor allem den Respekt für den Tanz, und er hat mir eine Arbeitsphilosophie mitgegeben. Ich fühle noch oft seine Hand auf meinen Schultern, wenn ich Zweifel habe.

3. Sind Sie der Meinung, dass man das Lehren lernen kann? Wenn ja, wie sollte Ihrer Meinung nach so einen Lehrgang aussehen?

In Frankreich gibt es ein „Diplome d'état“, ohne das darf man nicht unterrichten. Als erstes muss man das E.A.T. „Examen d'aptitude technique“ (technische Eignungsprüfung) bestehen. Die Prüfung besteht aus einer vorgeschriebenen Variation, einer freien Variation, einer Improvisation und einem kurzen Interview. Man sollte mindestens 10 von 20 Punkten erreichen, um zu der zweijährigen Ausbildung zugelassen werden. Im ersten Jahr stehen neben dem täglichen Unterricht die Fächer Tanzgeschichte, Musikgeschichte und Anatomie auf dem Stundenplan. Im zweiten Jahr kommt die Pädagogik dazu: Wie soll ich mein Wissen weitergeben. Der Schüler assistiert im Unterricht und unterrichtet selbst. Die Prüfung wird von Lehrern abgenommen, die das Kulturministerium stellt.

4. Muss für Sie ein Lehrer professionell auf der Bühne getanzt haben?

Auf jeden Fall. Die Bühne ist nicht der Ballettsaal und diese Erfahrung muss ein Lehrer weitergeben können.

5. Was ist für Sie das Wichtigste für einen erfolgreichen Unterricht?

Der Beobachtungssinn. Wir sind wie Uhrmacher, wir müssen präzise und genau sein und jeden Schüler so gut wie möglich einschätzen, ihm seinen Raum geben und die Zusammenarbeit mit der Klasse fördern. Jazztanz ist ein Gruppentanz.

6. Welche Korrekturen sollen Ihre Schüler nicht vergessen?

Ich wünsche mir, dass sie verstanden haben, was ich Ihnen vermittelt habe. Oft kommen meine Schüler nach ein paar Jahren zurück und arbeiten wieder mit mir und ich freue mich besonders, wenn ich merke, dass sie begriffen haben, dass der Tanz eine wunderbare und geheimnisvolle Kunst ist und wir dann zusammen auf respektvolle Entdeckungen gehen.
 

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