Jeden Tag ein bisschen die Grenze überschreiten

Das Filmporträt „Weltklasse made in Germany: Katja Wünsche“

Berlin, 23/05/2008

Über mangelnde Publicity braucht sich Katja Wünsche derzeit nicht zu beklagen, und wahrscheinlich reagiert die Ballerina des Stuttgarter Ballett auf ihre „Öffentlichkeit” eher verwundert, wenn nicht sogar verlegen. Sie selbst bezeichnet sich in dem 3sat-Film von Peter Schönhofer einmal als „grounded”, und diese Erdung wird der Ballerina auch künftig helfen, nur dann wirklich abzuheben, wenn‘s der Choreograf ausdrücklich wünscht. Und deshalb kann ihre Lehrerin an der Staatlichen Ballettschule Katja Wünsche auch eine „ganz seltene Erscheinung” nennen, ohne gleich befürchten zu müssen, dass sich ihre ehemalige Elevin darauf etwas einbildet. Im Gegenteil. Die Selbstkritik, die ihr gerade beim Arbeitsprozess manchmal im Wege steht, wird da auf einmal zu einem Schutzschild, an dem alle Komplimente wie abgestumpfte Pfeile abprallen.

„Man muss jeden Tag ein bisschen die Grenze überschreiten, damit man am Ende das erreicht, worauf man zuarbeitet”, sagt die Solistin einmal über sich selbst, und wahrscheinlich ist es diese Beharrlichkeit, die sie zu der Ausnahmetänzerin hat werden lassen. Christian Spuck, Stuttgarter Wegbegleiter von Anfang an, charakterisiert sie als „Arbeitstier” und meint damit, dass sich Katja Wünsche ihren Erfolg hart erarbeitet hat. Sie selbst meint eher „Ich habe viel Glück gehabt und meine Chancen auch genutzt.”

Dazu passt, dass sie „wie die Jungfrau zum Kind” – 1992 nach dem Lesen einer Zeitungsannonce – zum Ballett gekommen ist. Doch wenn nicht zu den guten anatomischen Voraussetzungen, den rechten Proportionen, der intensiven Ausstrahlung und einer robusten Gesundheit noch Charaktereigenschaften wie Disziplin, Durchhaltevermögen und Selbstkritik gekommen wären, hätte sie es nie in die vorderste Riege des internationalen Ballettgeschäfts geschafft – und nicht als einzige Tänzerin in die sehenswerte 3sat-Reihe „Weltklasse Made in Germany – Junge Interpreten”. Sehenswert deshalb, weil es dem Regisseur gelingt, ohne alle Hektik ein spannendes Portrait zu entwerfen, das viele Aspekte ihrer künstlerischen Persönlichkeit zur Sprache bringt und gleichzeitig bildhaftes Ereignis werden lässt. Ausschnitte aus „Lulu” von Christian Spuck, dazu Szenen aus Crankos „Schwanensee” und dessen Debussy-Deutung „Brouillards”, konfrontiert am Ende mit „Äffi”, einem Solo, das Marco Goecke eigentlich einem Mann auf den Leib choreografiert hat: das sind gleich vier starke Stücke, die eine „emotionale, aber gleichzeitig auch intelligente Tänzerin” erst einmal zu bewältigen hat.

Und Katja Wünsche bewältigt sie mit Bravour, ohne allerdings diese Bravour jemals zu veräußerlichen – man mag das „Eigeninitiative” nennen wie Christian Spuck oder „Instinkt” wie Ballettintendant Reid Anderson, der sich angesichts seiner Ballerina an eine andere Größe des Tanzes erinnert fühlt. „Wie Márcia”, sagt er, und sein Lob lässt sich kaum noch toppen. Da muss Katja Wünsche künftig wohl noch „erdiger” sein als bisher ...

Das Porträt „Weltklasse made in Germany: Katja Wünsche“ läuft am Samstag, 24. Mai, um 22.30 Uhr auf 3sat Link: www.3sat.de

 

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