Perfektion aus Petersburg

Das Staatsballett Berlin zieht mit „Malakhov & Friends“ in die Deutsche Oper

Berlin, 26/10/2008

Sie ist die Glamourgala des Jahres: „Malakhov & Friends“. Im Unterschied zu ähnlichen Formaten zieht diese Freundeskarawane nicht um den Globus, sondern trifft sich exklusiv in Berlin. Dort erlebt sie Aufführungen bis zum Februar und entzückte bei der Premiere auch diesmal das Publikum in der Deutschen Oper. Dass sie dem Staatsballett Geld in die Kassen spült und seinen Ruf internationalisiert, sind zwei Gründe für diesen Abend mit Eventcharakter; dass er Glanz in unseren Krisenalltag bringt, ein dritter. Fünf Stars des Weltballetts hat Intendant Vladimir Malakhov eingeladen und auch zwölf seiner Kompaniestars mit aufs Podium gehoben. Gäste und Haussolisten, reizvoll gemischt, gestalten eine gut dreistündige Soiree stilistischer Vielfalt und funkelnder Virtuosität, die Juwelen neben Neuschöpfungen setzt. Dass auch der Äther der Choreografie nicht nur von Genieblitzen durchzuckt wird, konstatiert man zumindest beiläufig.

Mit einigen der 13 Beiträge greift das Staatsballett auf seine Gala zur Saisoneröffnung zurück. So durfte diesmal Marian Walter Bournonvilles „Blumenfest in Genzano“ mit Ludmila Konovalova tanzen: Technisch süperb beide, doch gegen Walters Charmeoffensive tat sich seine herbere Partnerin etwas schwer. Adel der Linie verströmten Polina Semionova und Malakhov in einem verhaltenen Duett aus Balanchines „Jewels“. Wie sehr Präsentation den Gesamterfolg prägt, beweisen zwei einander direkt folgende Gastbeiträge. Technisch lässt sich am Grand Pas de deux aus dem „Nussknacker“, wie ihn Irina Dvorovenko und Maxim Beloserkovsky vom American Ballet Theatre aus New York in rosafarbenem Ambiente tanzten, rein nichts aussetzen. Ihre Interpretation scheiterte an erstarter Miene und unterkühlter Posenroutine.

Dass Yevgenia Obraztsova und Vladimir Shklyarov im „Tschaikowsy-Pas de deux“ beim Auditorium den Bann brachen, ist keineswegs nur Balanchines feuriger Choreografie oder einer perfekten Leistung zu danken, sondern mindestens ebenso der strahlend überspringenden Tanzfreude dieser hochtalentierten Jungstars vom Mariinsky-Ballett aus St. Petersburg. Vom Tokyo Ballet kam Mizuka Ueno, eine formidable, asiatisch zierliche Ballerina. Mit Dmitry Semionov als Partner von gewinnender Sprungkraft und wachsender Ausstrahlung tanzte sie souverän, wiewohl eine Spur zu bescheiden den Grand Pas de deux aus „Le Corsaire“, mit Ibrahim Önal ebenfalls vom Staatsballett die Liebe zwischen Carmen und Don José – eine Sequenz aus Alberto Alonsos „Carmen-Suite“, seit 1967 international überstrapaziert, heute leicht antiquiert. Ronald Savkovic hat aus Fehlern gelernt und in der Werbeszene aus seinem neuen Handlungsballett um Alexander den Großen und seine Roxane die Fackelträger fortgelassen. Auch so sind Elisa Carrillo Cabrera und Leonard Jakovina ein überzeugendes Paar. Konnte besonders Nadja Saidakova Forsythes metallisch hartem Duktus aus „In the middle, somewhat elevated“ adäquate Bravour geben, erwies sich in der Brel-Miniatur „Les bourgeois“ Dinu Tamazlacaru als sprungwirbelnder Abräumer des Abends.

„Splendid Isolation III“, Jessica Langs etwas wirre Spezialschöpfung nach Mahlers „Adagietto“ für Dvorovenko/Beloserkovsky, lebt vom effektvollen Spiel mit einem übergroßen Tellerrock und bietet dem Mann dankbare Aufgaben; auch in einer Tango-Adaption des jungen Russen Juri Smekalov bestach wieder das Petersburger Paar Obraztsova/Shklyarov durch intensive Gestaltung. Wie im Vorjahr mit der Traumbesetzung Beatrice Knop, Shoko Nakamura, Saidakova, Semionova um Malakov herum bildete Béjarts Todesahnung „Serait-ce la mort?“ nach den „Vier letzten Liedern“ von Richard Strauss das Pausenfinale – diesmal wie ein Requiem für Béjart selbst. Das Finale des Abends gehörte allein dem Hausherrn. Savkovic hat ihm zu Klaus Nomis exzentrischem Altusstaccato „La vita nuova“ maßgeschneidert, wobei offen bleibt, welch und ob neues Leben ihn jenseits der Nebelschwaden erwartet. Dennoch dürfte niemand unzufrieden die Deutsche Oper verlassen haben.

 

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