Aufbruch beim Ballett in Warschau

Der neue Chef Krzystof Pastor stellt sich mit „Tristan“ vor

Warschau, 02/04/2009

Der Jubel ist einhellig für die jüngste Ballettpremiere im Warschauer Teatr Wielki mit seinen 2000 Plätzen. Vor ausverkauftem Haus präsentiert der neue Ballettdirektor seine Choreografie „Tristan“ mit Musik von Richard Wagner, folgt in der Handlung des zweiaktigen Werkes aber eher Motiven des Romans „Tristan et Iseult“ des französischen Autors Joseph Bédier von 1900.

Krzystof Pastor ist als Choreograf um die Welt gereist. Nach der Ausbildung in Polen und ersten Engagements hier, wird er Solist in Lyon. Er macht mit eigenen Arbeiten auf sich aufmerksam, choreografiert beim renommierten Het Nationale Ballet Amsterdam, unter der Leitung Hans van Manens, dessen Nachfolger er wird. Amsterdam wird er von Warschau aus verbunden bleiben, ebenso dem Moskauer Bolschoi-Ballett, dem israelischen Ballett in Tel Aviv und dem Königlichen Ballett Schwedens in Stockholm. Hier entstand auch seine Tristan-Version, die in einer Reihe steht von bislang über 20 Choreografien unterschiedlichster Art von Choreografen wie Léonide Massine und Frederick Asthon, Tatjana Gsowsky und Maurice Béjart, John Cranco, Glen Tetley und John Neumeier, die Hans-Werner Henzes Musik für ein Tristan Ballet folgen. Susanne Linke schuf eine spezielle Version für das Nederlands Dans Theatre, bei der sie den Titel in Fragezeichen einschloss: „?Tristan und Isolde?“.

Für Pastors „Tristan“, 2006 in Stockholm uraufgeführt, bearbeitete Henk de Vlieger Musik aus Wagners Bühnenwerk. Immer wieder fügt er Motive des ersten Vorspiels, des nächtlichen Liebesduetts, der traurigen Hirtenweise des dritten Aufzugs und in verschiedenen Varianten den Sehnsuchtsgestus des Liebestodes in einer Orchesterversion zueinander. Besondere Markierungen erfahren die Stationen der Handlung durch die Einfügung der fünf Lieder auf Gedichte von Mathilde Wesendonk, die der Tristanthematik und Melodik nahe sind. Das Ballett, inspiriert von den nachtfarbenen Klangbildern Wagners, wird so zu einer Traumhandlung mit Sequenzen aus dem Leben und Sterben des Ritters Tristan. Von Isolde, die den Verwundeten heilt, vom Verwechslungsverhängnis eines Liebestrankes, das zwei Menschen schuldlos schuldig in den Tod treibt. Nacht und Tag, und Welt und Traum durchdringen einander. Tristans Eltern, Blanchefleur und Riwalen, sind anwesend als weiße Engel, Elemente der Natur erhalten tänzerische Gestalt wie höfische Gestalten, Ritter und Kaufleute. Für Wagnerianer sicher nicht akzeptierbar, für die Warschauer Ballettfans schon. Einzelne Buhrufe für den Dirigenten Tadeusz Kozlowski sind Reaktionen auf dessen wenig inspirierte Wiedergabe der Musik als einziges Manko des Abends.

Das Warschauer Corps de ballet präsentiert sich bei enormen Anforderungen seitens der Choreografie sehr gut disponiert für den individuellen neoklassischen Stil des neuen Chefs. Da ist die frappierende Virtuosität der Sprünge und Drehungen ebenso gefragt wie die elegante Linienführung oder die archaische Reduktion der Bewegung. Krzystof Pastor hat das Gespür für die riesigen Maße der Warschauer Bühne, zum Gesang der ausgezeichneten Sopranistin Agnieszka Rehlis fügt er die assoziativen Bewegungen der Tänzer, zum Spiel des Orchesters den Gesang bewegter Körper. Höhepunkte des Abends sind zweifellos die Duette für Tristan und Isolde, beredt und immer wieder verblüffend in den Varianten des Unglücks, das narrative Geschick des Choreografen, weit entfernt von den Stereotypen der Ballettpantomime. Euphorisch bejubelt wird das abschließende Duett zum Liebestod, inzwischen auch ein Galastück für Stars wie Svetlana Zakharova und Andrej Merkuriev. In Warschau versetzten der schwedische Uraufführungs-Tristan Jan-Erik Winkström und die polnische Primaballerina Izabella Milewska das Publikum in pure Begeisterung.

Die Chance gilt es zu nutzen. Der neue Ballettdirektor hat große Pläne, von derzeit ca. 40 Vorstellungen will er die des Balletts auf 80 erhöhen. Mit Angeboten und Workshops will er in die Stadt hineinwirken, junges Publikum ansprechen und gewinnen. Für die nächste Saison kündigt er einen Kurt-Weill-Abend an, der ebenso wie die für 2010 vorgesehene Choreografie „In Light and Shadow“ zu Musik Johann Sebastian Bachs für Warschau eine Novität sein dürfte. Das nächste Handlungsballett ist auch schon geplant, von 2011 ist die Rede, und auch davon, dass es Tanz zu Musik von Chopin geben wird.

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