Halsbrecherisch & verspielt

„Öper Öpis“ von Zimmermann & de Perrot

Zürich, 23/01/2009

Das inzwischen europaweit bekannte Duo Zimmermann & de Perrot stammt aus Zürich. Der Titel seines neuen Stücks, „Öper Öpis“, ist weder schwedisch noch türkisch, sondern schweizerdeutsch und bedeutet „Jemand Etwas“. Das lässt Interpretationen in viele Richtungen zu. Zum Beispiel die im Programmzettel genannte Version: „Von der Unmöglichkeit, im Anderen den zu finden, den man eigentlich sucht: sich selber.“ Oder einfacher: Ist man für den Andern ein Mensch oder nur ein Ding? „Öper Öpis“ hat durchaus psychologische und existenzielle Aspekte. Vor allem aber ist es ein waghalsiges, schwarzhumoriges, absurdes und verspieltes Stück. Der Bühnenboden hebt und senkt sich ständig an allen vier Ecken; Stühle und ein Tisch rutschen darauf herum, Stehwände biegen sich nach hinten samt dem Menschen, der sich daran lehnt. Das Duo Martin Zimmermann (Artist, Performer, Choreograf) und Dimitri de Perrot (Musiker, Komponist, DJ) ist nicht nur in seinen angestammten Funktionen tätig, sondern auch verantwortlich für das unheimliche instabile Bühnenbild.

Während de Perrot seine Platten scratcht oder sich durch ein Chaos von Musikzubehör wühlt, versucht Zimmermann am Anfang des Stücks wie Sisyphos immer wieder eine schiefe Ebene hochzuklettern, rutscht dabei weg, verliert die Balance, stürzt ab. Dann erscheinen allmählich weitere Artisten und Tänzer, drei Frauen und zwei Männer. Sie wirken zunächst komisch bis surreal, beispielsweise jenes Monster, das unten aus zwei Stummelbeinen und oben aus einem plumpen Sack zu bestehen scheint (es entpuppt sich dann als wohlproportionierte Frau im goldenen Zirkusdress). Alle kämpfen mit den Tücken des Schwankebodens. Schliesslich werden ihre Bewegungen immer halsbrecherischer. Der massige Victor Cathala stemmt die quirlige Akrobatin Kati Pikkarainen in die Luft, Kopf oder Fuss voran; zeitweise trägt er sie auf einer einzigen Hand herum – eine Pose, wie man sie höchstens aus dem russischen Ballett kennt. Rafael Moraes wirbelt Biancaluz Capella durch die Luft, sie dreht sich mehrfach um sich selbst – Trapezkünstlerin ohne Trapez und ohne Fangnetz. Kunststücke noch und noch. Für zusätzlichen Bewegungswitz sorgt die füllige Westschweizerin Eugénie Rebetez. Circus at it’s best! Dabei bleibt der Humor oft unterschwellig. Besonders Martin Zimmermann gönnt uns selten ein Lächeln. Er bleibt bei allen Eskapaden todernst wie Buster Keaton. Einmal sitzt Zimmermann unter der Bühne, die auf ihn niederstürzt. Gottergeben wartet er ab, und tatsächlich haben die Bretter eine Luke, durch die er seinen Kopf strecken kann. Das Publikum im Schauspielhaus-Schiffbau Zürich, wo die Gruppe zurzeit gastiert, schaut dem Treiben auf der Bühne atemlos zu, bricht erst am Schluss in stürmischen Applaus aus. Die Künstlerinnen und Künstler verneigen sich so tief, dass ihre Köpfe beinahe im Boden stecken bleiben.

Es passiert soviel auf der Bühne und dermaßen gefährliches Zeug, dass man 70 Minuten lang kaum zur Besinnung kommt. Tempo und Lautpegel sind fast pausenlos hoch. Ein paar Ruhepunkte mehr wären da schon willkommen! Ob die Gruppe auf die Dauer ihren Totaleinsatz durchhalten kann? Nach der Uraufführung des Stücks in Lausanne im vergangenen Herbst, einem Auftritt beim Pina-Bausch-Festival in Essen und dem vierzehntägigen Gastspiel diesen Januar in Zürich geht’s weiter ins Théâtre de la Ville in Paris und in andere französische Städte. Im Juni 2009 spielen Zimmermann & de Perrot am Festival Perspectives in Saarbrücken und am Grand Théâtre de Luxemburg.

Auf ihrer Tournee kommt neben „Öper Öpis“ auch „Gaff Aff“ auf die Bühne, ein 2006 uraufgeführtes Atemlos-Stück für Zimmermann & de Perrot allein. Sie arbeiten schon seit zehn Jahre zusammen. Sechs Jahre lang war auch der Zürcher Tänzer Gregor Metzger, zuvor bei Maurice Béjart engagiert, mit von der Partie. Das damalige Trio namens Kollektiv MZdP kreierte drei Programme, die alle wie „Öper Öpis“ einen schweizerdeutschen Titel trugen: den abgekürzten Fluch „Gopf“ (1999), die Begrüßungsformel „Hoi“ (2001) und das erstaunte „Janei“ (2004).

www.zimmermanndeperrot.com

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