Mit amerikanischem Okay

Die jüngste Matinee-Gala der John Cranko Schule

oe
Stuttgart, 28/06/2009

Noch fehlt zwar das offizielle Gütesiegel „mit freundlicher Genehmigung des George Balanchine Trust“, doch immerhin: dass die in dieser Beziehung sehr peniblen amerikanischen Aufsichtsbehörden der Stuttgarter John Cranko Schule die Genehmigung zur Einstudierung und Aufführung einer ersten Balanchine-Choreografie erteilt haben, ehrt diese, wie wenn sie als Gault-Millaut des Balletts ihren ersten Stern verliehen bekommen hätte. Und so hat sie denn ihren jüngsten Auftritt im Stuttgarter Opernhaus sogleich mit Balanchines Pas de deux aus „Sylvia“ eingeleitet, wobei sich Stuttgarts Junioren Aya Okumara und Arata Miyagawa als Enkel von Maria Tallchief und Nicholas Magallanes legitimierten, sie sogar mit eingelegten doppelten Fouettés im Finale und beide in ihrer Präsentation dieser Tour de force als Modellfall der Hohen Schule des klassischen Balletts. Danach ging‘s dann weiter mit „Paure Nascoste“, was immer das zu bedeuten hatte, als Fünf-Tänzer-Studie von Alessandra Spada, die hier ihre ausgesprochen konstruktivistische Begabung demonstrierte, mit Gruppierungen, die wie in einem Dialog aufeinander antworteten: eine Choreografie aus dem Lego-Baukasten des Balletts.

Wie dann Daniel Camargo die Boulezschen „Notations I-IV“ tanzte, machte uns staunen, welch enorme technische Fortschritte die Entwicklung der Tänzer inzwischen gemacht hat, denn als Uwe Scholz dieses Solo für Vladimir Malakhov 1966 in Stuttgart (!!!) choreografierte, hielten wir es noch für ein Ausstellungsstück für einen Supervirtuosen. Camargo demonstrierte hingegen, dass die Eleven der Cranko-Schule durchaus ihren Obama verinnerlicht haben: Yes, We Can! Natürlich: Wenn man diesen Namen trägt, fühlt man sich nicht zuletzt ballettgeschichtlich verpflichtet. Drücken wir dem Jungstar also den Daumen, dass er seinem Familiennamen auch in Zukunft alle Ehre macht.
Es folgte Hans van Manens „In and Out“, sein Sardinendosen-Jux für sechs Tänzerpaare, die offenbar für den Ernstfall einer künftigen Einweisung in eine überbelegte Gefängniszelle proben. Ob es da wohl auch so lustig zugehen mag, wie unser Mann aus Amsterdam suggeriert?

Kein Problem für die Zöglinge aus der Urbanstraße! Und dann zum Schluss wieder das Tsunami-Finale der „Etüden“ – in Stuttgart inzwischen aus harmlosen Baby-Geplätscher zu einer gewaltigen Woge aufgeschäumt, die jeden Moment in den Zuschauerraum überzuschwappen droht. Mit all ihren Anleihen bei Harald Lander und Boris Messerer sind sie inzwischen zu einem echten Stuttgarter Knüller geworden – ein Defilée, das den Herzschlag beschleunigt, nicht nur mittels der technischen Feuerwerkscracker, die da in pausenloser Folge über die Bühne des Großen Hauses knattern, sondern einfach auch durch die schiere Menge der Beteiligten. Da kommt man sich glatt wie bei einer der Paraden auf dem Roten Platz in Moskau vor. Und das mitten im Schwabenland! Toll, was Tadeusz Matacz und seine Kollegen da auf die von ihnen fachgerecht gestählten Stuttgarter Juniorenbeine gestellt haben!

Kommentare

Noch keine Beiträge