Nah dran am Heute

„A la Recherche de Josephine“ in München

München, 10/07/2009

Nur ein Bananenröckchen, sonst nackte Haut, das Pariser Publikum war hingerissen von dieser früh emanzipierten Ebenholz-Göttin Josephine Baker aus Amerika. Im züchtigen München Ende der 30er Jahre fürchtete man den Skandal. Das im Deutschen Theater geplante Gastspiel der Baker wurde kurzerhand von der Polizei verboten. Erst 1953 konnte sie hier auftreten. Und jetzt, bei Jérôme Savarys Hommage-Show „A la Recherche de Josephine“ (“Auf der Suche nach Josephine“), die nach Paris, Madrid, Kopenhagen und Wien im Fröttmaninger Ausweichquartier des Münchner Deutschen Theaters Station macht, wollte der Applaus nicht enden.

Nein, nicht nochmal das Leben der berühmten Josephine Baker nachbuchstabieren. Aber das macht – zum Glück – ein Entertainment-Profi wie Jerôme Savary nicht. Während ein projizierter Film das von Hurrikan Katrina verwüstete menschenleere New Orleans an uns vorbeifahren lässt, sucht ein französischer Produzent nach einer Darstellerin für seine Pariser „Josephine“-Show. Und da sitzt nun auch der übrig gebliebene Musiker Old Joe in seinem Rettungs-Schlauchboot an der Rampe und erzählt: von den schwarzen Sklaven auf Zuckerrohr-Plantagen auf Haiti und Kuba, von Rassentrennung, von der Musik der Afroamerikaner, die sich über den Blues und Marschmusik zum Jazz entwickelte. Ein bisschen kraus, ein bisschen pädagogisch, auch ein bisschen moralisch belehrend. Na wenn schon. Walter Reynolds macht das sympathisch nach der Art der Griots, der afrikanischen Geschichtenerzähler.

Und wie diese Musiken, der klangsatte New-Orleans-Jazz, der flotte Boogie, später der einschmeichelnde Duke Ellington, tänzerisch in die Körper fährt, das zeigt ein immer wieder hereinfegendes dynamisches Jungvolk: vom schlenkernd-vibrierenden Afro-Stil bis zu den grotesken Bewegungsvariationen à la Baker, die die sechs durch die Bank gut gebauten Charme-Girls beim Vortanzen für den Franzosen (Michel Dussarrat auch prima als Casino-Conférencier) liefern; vom Tapdance bis zum swingenden Schwofen im New-Oreans-Nightclub. Das alles wohltuend streetdance-mäßig flippig. Kein altmodischer Revue-Glitzer. Und wenn in den Casino-de-Paris-Szenen am Ende doch, dann ganz im Sinne der blitzgescheiten Baker – mit einer gehöriger Portion Ironie. Mit mehreren Nummern zitiert Savary fast ein bisschen zu lang, aber sehr gekonnt die legendäre Pariser „Revue Nègre“ von 1925, in der die busenfreie Josephine bei wippendem Bananen-Gürtel ihre ellenlangen Beine schwenkte und dabei den frechen schielenden Clown machte. Bakers schräge Grimassen sind kaum authentisch zu kopieren. Muss ja auch nicht sein. Aber Bakers Spitzbübigkeit und Ironie beherrscht die quirlige Josephine-Darstellerin Nicolle Rochelle so blendend wie ihren gut durchtrainierten Körper und ihre Stimme. Ein Kraftorgan, spielerisch geschmeidig zwischen hoher und tiefer Lage. Und die Band aus älteren gestandenen New-Orleans-Musikern ist immer ganz nah und differenziert dabei. „Auf der Suche nach Josephine“ – ein einfach wunderschöner Abend, nostalgisch und irgendwie doch nah am Heute.

Bis 19 Juli, jeweils 20 Uhr

 

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