Zwischen Flucht und Verweilen

Mit „display life“ tanzt sich Rubato in der HALLE durchs Leben

Berlin, 28/11/2009

Es sollte ein Stück allgemein über Räume und Gegenräume werden, verschwindende und wieder auftauchende, liest man im Programm. Dass es doch wieder ein Stück von Rubato über Rubato geworden ist, nimmt man am Ende dankbar zur Kenntnis. „display life“ zeigt 60 Minuten lang die Suche nach dem, was man Leben nennt und was wohl für Jutta Hell und Dieter Baumann, die seit fast 25 Jahren unter Rubato firmieren, auch das lange gemeinsame Leben ausmacht. Weil sich der abstrakten Recherche persönliche Momente beimischen, ist das Gefundene authentischer. Kunst darf sich aus der eigenen Erfahrung speisen, und davon haben Rubato reichlich. Die Szene der HALLE haben sie für „display life“ zur veritablen Bühne umgestaltet: Schwarze Aushängung bis zur Decke umgibt die kleinere weiße Spielfläche, die in einem ebenfalls weißen Vorhang ausläuft. Auf der Weißfläche kommt es zu Treffen, um sie herum führt ein Wanderweg, der die Wanderer hinter dem Vorhang verschwinden, dann wieder sichtbar werden lässt. Er steht für den Lebensweg schlechthin, für das Vorwärtsgehen, aus dem heraus es Haltepunkte, Verweilen gibt. Zunächst geht jeder separat seinen Weg, dann sind beide Tänzer zugleich sichtbar, ihr Abstand wird enger. Wer die Weißfläche entert, legt einen Zwischenstopp ein, wird zeitweise sesshaft, der andere verharrt in selber Höhe auf dem Umweg. Beide nähern sich, eine Reminiszenz vielleicht an ihr Duo „SOS“ von Gerhard Bohner, entgegengesetzt entlang dem Vorhang an, finden, trennen sich. All das vollzieht sich in der Stille, verlangt vom Zuschauer viel Konzentration.

Als Hell und Baumann, nach wiederholten Um-Gängen, beide die Fläche betreten, ziehen sie sofort wie zum Schutz vor zuviel Nähe die Kapuze ihrer Jacken über den Kopf: Aus gegenseitigen Schlägen auf die Brust erwächst eine Art Lebensrhythmus, der alsbald gemeinsamem Pfeifen Platz macht. Zu Armschwüngen Dieter Baumanns liefert dann Jutta Hell in gebührendem Abstand den Tretrhythmus, eng, weit, wie eine Lebensmaschinerie. Kurzzeitig entschwinden beide hinter Vorhangfalten, doch der Entzug währt nicht lange. Es kommt zur direkten Konfrontation, wenn er fortwährend ihre einladende Rundform der Arme sprengt und sich so ein Zweierkörper durch den Raum bewegt. Zwischendrin wieder die Flucht unter die anonymisierende Kapuze, der zum stummen Schrei aufgerissene Mund, der Um-Gang mit hörbarem Getrappel.

Rubato wären nicht die lebensreifen Tänzer, wüssten sie nicht, dass Fluchten auch Zeiten des Miteinanders folgen müssen. Hier beginnt es mit Hells schlichter Bauchlage, Baumann setzt sich auf sie, legt sich dann ausgestreckt, beide rollen, Körper auf Körper, mit gefassten Händen die gesamte Fläche nach hinten, jeder mal oben und unten. Die schönste Sequenz eines ganz auf Zeitlupe setzenden Abends, eine Sequenz der Nähe, Zärtlichkeit, des Vertrauens. Erneut löst sie die Form auf, für beide wird die Kapuze wieder zur Rückzugsmetapher, doch Flucht geht nicht mehr. Polternd geschäftig mögen sie jetzt wohl gehen, aber die vorangegangene Begegnung hat Spuren hinterlassen. Mit dem Rücken zum Zuschauer stehen die Tänzer zwar, blicken einander nicht an. Ihre Hände jedoch finden sich, und überm ablenkend lässigen Pfeifen macht sie Jochen Massers Licht erst zur Silhouette, bevor er sie ganz fortwischt. Dennoch ein froh stimmender Schluss.

Wieder 3.-6.12., 20 Uhr, HALLE, Eberswalder Str. 10-11, Berlin-Prenzlauer Berg, 

www.halle-tanz-berlin.de

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