Den Expressionismus im Ballett zeigen

Ein Gespräch mit Choreograf und Pädagoge Kirill Melnikov über sein „Nosferatu“-Projekt an der Ballettakademie

München, 22/03/2010

Die Münchner Hochschule für Musik und Theater, die eher mit Musik-Veranstaltungen an die Öffentlichkeit tritt, präsentiert jetzt einmal die Studenten ihrer Ballettakademie. Kirill Melnikov, Ex-Solist des Bayerischen Staatsballetts und seit 12 Jahren Ballettakademie-Pädagoge, hat zusammen mit seiner Frau, der Ex-Staatsballett-Ballerina Yelena Pankova, und seinem Kollegen Dimitri Sokolov den zweiteiligen Abend „Nosferatu & Co.“ entworfen. Mark Pogolski, Konzertmeister, Pianist und Ballettakademie-Kollege, hat für „Nosferatu“ die Musik komponiert. Premiere ist heute, 19 Uhr in der renovierten Münchner Reaktorhalle.

Zur Erinnerung: Kirill Melnikov und seine Frau Yelena Pankova, beide Absolventen des berühmten St. Petersburger Waganowa-Instituts und dann sechs, beziehungsweise acht Spielzeiten Mitglieder des dortigen Kirov-Balletts (das heute wieder zum ursprünglichen Namen „Ballett des Mariinsky-Theaters“ zurückgekehrt ist), gingen Anfang der 90er in den Westen. Das war die Umbruchszeit, als die russischen Ballett-Ensembles noch kaum neoklassische, geschweige denn moderne Choreografien tanzten und experimentierfreudige Tänzer neue Aufgaben im Westen suchten. Über das English National Ballet kamen die beiden Solisten 1992 zum Bayerischen Staatsballett. „Ich hatte die 15 klassischen Repertoire-Stücke schon oft genug getanzt, wollte eine Entwicklung, also nicht immer nur der Prinz, sondern auch mal ein dramatischer Charakter sein.“, sagte Melnikov damals.

Und unter Staatsballett-Chefin Konstanze Vernon waren sie dann auch die markanten Protagonisten in dem für seine breite choreografische Palette bekannten Münchner Repertoire, ob in Patrice Barts Version von „La Bayadère“, Ray Barras „Schwanensee“ und „Don Quijote“ oder in John Crankos „Onegin“ und John Neumeiers „Sommernachtstraum“. Beide tanzten aber auch mit Bravour die neoklassischen, modernen und experimentellen Stücke von Hans van Manen, von New-York-City-Ballet-Chef Peter Martins, von der postmodernen Lucinda Childs und dem aus dem Ensemble hervorgegangenen Italiener Davide Bombana. Nach der aktiven Karriere wechselten beide Ende der 90er Jahre ins pädagogische Fach. Als Professor der Ballettakademie der Münchner Musikhochschule hat er den Ehrgeiz, seine Studenten auch auf der Bühne zu testen.

Redaktion: Kirill Melnikov, was hat man von dem titelgebenden zweiten Teil des Abends zu erwarten?

Kirill Melnikov: Dieser wichtige Teil ist inspiriert von Murnaus berühmtem Stummfilm „Nosferatu“. Die Choreografie, etwa vierzig Minuten lang, wird ergänzt durch etwa zwanzig Minuten Stummfilminstallationen. Das Genre Stummfilm hat mich immer schon fasziniert. Ich habe in der Vergangenheit ja auch die Stummfilm-Abende gesehen, die der leider im Dezember verstorbene Pianist und Komponist Aljoscha Zimmermann (Pianist auch für die Ballettakademie; die Red.) begleitete. Wie die Schauspieler da ohne Worte eine Geschichte erzählen, das ist fast wie ein Ballett auf die Leinwand zu bringen. Und wir haben „Nosferatu“ ausgesucht, weil es sehr expressionistisch ist. Und diesen Expressionismus möchte ich auch in diesem Ballett zeigen.

Redaktion: Wie sieht der vorangestellte Teil aus?

Kirill Melnikov: Bunt gemischt - mit fünf Stücken zu verschiedenen Themen, von mir, von meiner Frau und unserem Kollegen Dimitri Sokolov. Wir zeigen „Ein kleines Nachtballett“ zu Mozart, Adam & Eva“ zu Bach, „Let me dance“, „Mazedonische Tänze“ und „Galatea“. Die Stimmung wechselt von scherzhaft zu nachdenklich und wieder zu folkloristisch beschwingt.

Redaktion: Sie bringen in „Nosferatu“ neunzehn Tänzer und Tänzerinnen auf die Bühne, insgesamt an diesem Abend vierzig...

Kirill Melnikov: Ich arbeite seit zwölf Jahren als Ballettpädagoge an der Münchner Hochschule für Musik und Theater. Die Pas-de-deux-Klasse ist mein Spezialgebiet. Und ich kenne natürlich meine Studenten. Manche konnte ich schon über Jahre verfolgen, kenne von daher ihre Fähigkeiten. Man weiß, was man diesem oder jenem Studenten zumuten kann. In welche Richtung er sich entwickeln muss.

Redaktion: Welches Schrittmaterial verwenden, welchen Stil pflegen Sie?

Kirill Melnikov: Ja, Schrittmaterial... Ich kann nicht sagen, ob es klassisch, neoklassisch oder modern ist – es ist gemischt. Wenn ich die Musik höre, mache ich, was ich fühle. Es gibt bei mir keine spezielle Richtung. Aber alles, was ich mache, hat mit Schauspiel zu tun.

Redaktion: Zur Musik...

Kirill Melnikov:Die Musik hat Mark Pogolski komponiert. Es ist nach „Cinderella“ unsere zweite Zusammenarbeit. Und ich finde, es ist eine Herausforderung für mich und eine tolle Erfahrung mit einem Komponisten zu arbeiten. Eine solche Zusammenarbeit ist ja heute eher selten. Meistens nehmen die Choreografen schon geschriebene Musik, Bach, Mozart oder auch modernere Kompositionen. Wir arbeiten sozusagen ein bisschen wie vor hundert Jahren: wie Petipa und Tschaikowsky, wie Prokofjew und Lavrovsky. Und ich finde, dass wir auf eine sehr schöne, sehr ausdrucksvolle Musik tanzen... Man wird sich nicht langweilen.

Die Premiere von „Nosferatu & Co.“ und die Vorstellungen am 25. und 27 März beginnen um 19 Uhr in der Münchner Reaktorhalle

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