In Bestform
„Ballett-Akademie en scène“ im Prinzregententheater
Der erste große Abend der Ballett-Akademie unter der Leitung von Jan Broeckx im Prinzregententheater
Der Süßigkeitsfaktor war niedriger. Erstmals seit langer Zeit gab es eine Vorstellung der Ballettakademie am Abend, und so waren die kleinsten Elevinnen und Eleven aus der Vorstufe nicht allzu lange auf die Bühne zu sehen. Was schade ist, denn die Ballettmäuse aus der Wilhelmstraße sind nun mal Marzipan. Doch dafür gab es viel Erfreuliches bei der Jubiläumsgala „25 Jahre Ballettakademie“: Eigene Kompositionen, eigene Choreografien, sowie Studenten, die tanzend Geschichten erzählten.
Zugeben tut es niemand, doch Schulvorstellungen sind für junge Tänzer wichtige Berufsmessen. Im Publikum sitzt der Ballettdirektor von Sowieso, also darf das Solo technisch nicht versiebt werden. Solche Gedanken sah man im Eröffnungsstück „Paquita“ noch deutlich in den Gesichtern von Elisabeth Gareis (Paquita), Florian Sollfrank (Lucien) oder auch Qingbin Meng (Pas de Trois). Gerade deshalb war der Wert des darauf folgenden „Modern Reset“ gut zu erkennen. Dessen Musik „Viskningar och rop“ wurde eigens von dem Kompositionsstudenten Henrik Ajax kreiert und live vom Hochschulsinfonieorchester konzertiert, die Choreografie stammt von Dozent David N. Russo. Hier galt es nicht, sich an großen Vorbildern zu messen, sondern das Stück zu transportieren, in dem die Akteure – offenbar Mitglieder einer komplexen, von der Anonymisierung bedrohten Gesellschaft – den Weg zu einander suchen. Schwarze Herren schieben sich merkwürdig desinteressiert schaufensterpuppenhafte Damen zu, tragen sie erleichtert davon. Geborgenheit, wie das Programmheft andeutete, war zwar nicht zu entdecken, dafür aber Tänzerseelen, die endlich locker ließen.
Auch der Volkstanz bekam viel Raum – im Waganowa-Ausbildungssystem spielt er schließlich eine große Rolle. Die jungen Tänzer und Musiker zeigten und spielten einfühlsam einen „Russischen Tanz“ sowie „Chassidische Tänze“. Leider hatte man sie in jiddisch-kitschige Schwarzweißkostüme mit Weste und Kepi kostümiert.
Nach einer „Symphonie Classique“, in der die ganze Schule mitwirkte und das Orchester im ersten Satz ein erbärmliches Schneckentempo an den Tag legte, kam schließlich das gewagteste Experiment: Ein „Sommernachtstraum à la Bavarese“. Dozent Kirill Melnikov verlegte Shakespeares Liebesreigen in die bayerischen Berge, Monika Staykova schuf dazu fantasievoll-anarchische Kostüme. Das Ganze klebte sehr dicht an der Vorlage. Doch vermutlich gab gerade das Vertrauen ins Bekannte so manchem Tänzer die Möglichkeit, seinen Schatten hinter sich zu lassen: Florent Operto brillierte als liebenswerter Zenz/Zettel, den man am liebsten knuddeln würde, Melissa Abel zeigte als Theres/Titania Port-de-Bras von majestätischer Größe. Aus dem Corps heraus tanzte sich deutlich die grazile, ausdrucksstarke Buse Babadag. Möge ihre zierliche Statur sie lange in München festhalten!
Fürs Erste war es eine einmalige Jubiläumsvorstellung, die Jan Broeckx, Chef der Ballettakademie, hier auf die Beine stellte. Es gibt keinen Grund, daraus nicht eine dauerhafte Einrichtung zu machen. Warum soll Münchens junge Tanzelite immer nur zum Weißwurstfrühstück in Matineen auftreten? Einen Abend im Prinzregententheater stemmt sie gut, vor allem, wenn die Zusammenarbeit mit den Musikstudenten einmal noch ausgefeilter wird.
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