100 Jahre ikonisches Markenzeichen
Friedrichstadt-Palast feiert die längste Kickline der Welt
Mit seinem neuen Programm ist dem Friedrichstadtpalast die Quadratur des Show-Kreises gelungen. Hatte bereits „Qi“ als Vorgängerproduktion ein neues Zeitalter des Entertainments eingeläutet, so gelang mit „Yma“ nochmals eine Steigerung. Der Titel ist genauso kurz und knapp, Ausstattung und Ideenreichtum suchen indes ihresgleichen. Selbstbewusst sieht Intendant Bernd Schmidt sein Haus im Vergleich unter den Top Five von Las Vegas – und versprach damit nicht zu viel. Mehr als 100 Künstler kann er auf der Riesenbühne präsentieren: im teuersten Projekt ihrer langen Geschichte. „Yma“ entführt ins Zauberreich der Fantasie, und das mit handfest realer Bühnentechnik. Kongenial treffen sich Glitzshow und Ingenieurskunst. Ehe sich der Vorhang hebt, blinzelt Ymas künstliche Schwester hoch oben ins Auditorium, kann Lippen und Augenbrauen bewegen. Yma selbst fährt in metallener Halbkugel herab, eröffnet, unter sich das Ballett, in rätselhafter Schönheit die Party. Durch 26 Beiträge führt sie charmant, setzt sparsam das Wort ein, wenn sie über, was sonst, Beziehungen plaudert: Die Herren mögen das Feuer entdeckt haben, die Damen wissen, wie man damit spielt. Und das auf höchst zeitgemäße Weise. Gleich acht Choreografen haben dem Ballett denkbar reiche Aufgaben zugedacht, sexy hier ebenso für die stark geforderten Herren. Dass die Damen, außer in Maik Damboldts kreisrunder Girlreihe, auch an Tüchern und Ringen hoch in der Luft beste Figur machen, danken sie Rosiris Garrido als Artistikcoach. Drei Sänger stellen ihnen die Konzeptautoren und Librettisten Jürgen Nass, der auch temporeich Regie führte, und Roland Welke an die Seite: mit großer Stimme Anja Krabbe, voll Soulfeeling Meike Jürgens, vielseitig bis zur Travestie Koffi Missah. In Michael Michalskys elegant knappen, häufig prachtvollen oder futuristisch sperrigen Kostümen entrollt sich zweieinhalb Stunden lang ein Bilderbogen der Sonderklasse.
Dass er auf einen didaktischen roten Faden verzichtet, dafür Augen und Ohren bedient, bekommt dem Abend bestens. Für den Ohrenschmaus sorgt neben den Sängern gleichfalls das Orchester, das Circus of Now als Designerteam diesmal im Olymp über der Szene platziert hat. Zu beiden Seiten der Bühne ranken sich Showtreppen gen Decke, und wie der gesamte Saal mit visuellen Effekten Teil des Bühnenbilds wird, weist auf ein sinnfälliges Gesamtkonzept hin. Essenzieller Bestandteil ist und bleiben die Tänzer. Wenn aus dem Boden Ballettstangen auffahren, haben zu „Lady Marmalade“ die Damen ihren erotischen Auftritt, ehe sie gemeinsam mit ihren Partnern Mambofieber zelebrieren. Ebenfalls in Craig Revel Cheesmans Choreografie dürfen die Herren erst in „Sexmachine“ Strip bis zum Slip vollführen und hinter keuschen Kabinen ihre Edelkörper unterm Duschstrahl entblättern, bevor sie auf rotem Plüschsofa Anja Krabbe ihre „Muscles“ zeigen. Wie Herbert Grönemeyers „Männer“ im Diskosound klingt, steht als Exempel für die modernen Arrangements weiterer Hits, etwa des Streisand-Gibb-Titels „What Kind of Fool“. Maik Damboldts origineller Girls-Block wird effektvoll zum Wasserballett in guter Esther-Williams-Manier. Nach der Pause erhält in Alexandra Georgievas ungewöhnlichem „Pas de trois“ das Ballett Flügel, steppen die Herren auf von Scherenkonstruktionen gestützten Hubpodien, finden sich die Damen nach dem Gang über den „Catwalk“ zum „Watercatch“. In all die Augengenüsse ist erstklassige Artistik eingebaut: Andrey Katkovs Equilibristik, der poetische Pas de deux von Flight of Passion an den Strapaten, allen voran die vom Cirque du Soleil inspirierte Trampolinarbeit des U-Show Teams. Und Yma? Sie hat mit besinnlichem Text in „Blau im Blau“ ihren Starauftritt. Das Rätsel ihrer Identität zu lösen bleibt den Zuschauern.
www.friedrichstadtpalast.de / www.show-palace.eu
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