Viel Tod um nichts

Michael Laubs „Death, Dance and Some Talk“ stirbt in den Sophiensaelen

Berlin, 25/02/2010

Auch für sein neues Stück in den Sophiensaelen verwendet er sein altes Bauprinzip. „Death, Dance and Some Talk“ variiert nur, was Michael Laub, Regisseur und Choreograf mit Wohnsitz in Stockholm und zu lange Dauergast beim „Tanz im August“, bereits hinlänglich gezeigt hat: Probenfetzen zu einer abendfüllenden Produktion zu montieren. Die aktuelle vereint fünf Darsteller verschiedenster Couleur im Bemühen, Sterbeszenen aus diversen Werken anderer Genres in eine lose Collage zu zwingen. In Badekleidung stellen sie sich vor, erschießen eine der Frauen als mehrfach zitiertes Motiv.

Das ist schon mal wenig witzig. Wenn Greg Zuccolo sagt, hinter jeder Pose sei auch nur Pose, trifft er damit nicht nur die Wahrheit allgemein, sondern auch die über das Stück. Dazu liest er aus einem Buch von Camus die Stelle über den Tod eines Kinds. Ergriffen, sagt spitzfindig Astrid Endruweit, sei sie, wenn sie den Text in Deutsch lese: In Englisch empfinde sie ihn nur als Wortklang. Und nimmt rasch bei der mopsigen Herma Auguste Wittstock einen Cha-Cha-Cha-Schnellkurs. Tanz kommt auch weiterhin eher als Parodie vor, etwa auf das „Armwickeln“ im Showtanz der 1970er, oder als gestisches, fingerschnipsendes Gehen.

I-Chen Zuffellato weiß dann mit Kinderstimme vom Tod ihrer Oma in Taiwan zu berichten: dass sie in einem Panasonic-Shop starb und sich die Familie schließlich eine Pornostreifen ansah. Zwei Frauen demonstrieren dazu Weinen. Danach sind Filme zum Sujet an der Reihe. Die schwergewichtige Herma lästert über „Le roi danse“ und zeigt, wie Molière blutend und speichelfließend zu Tode kommt. Robert Gather steuert „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss“ bei, wo auch gestorben wird. Starke Akzente setzt Astrid mit dem Zusammenhang von Neutronenbombe, Ängsten, Butoh, was sie aus eigener Butoh-Erfahrung persifliert, bis hin zu ins Weiße verdrehten Augäpfeln. Ihre Beschreibung eines Tanzkurses der Mutter wird zum Marschfestival, das Roberts Buch-Zitat über den Totschlag eines Pferdes bricht.

Beerdigungen dürfen nicht fehlen. Schwarzen Badedress tragen da alle. Auf Taiwan, erfährt man sophistisch, ziehen im Trauerzug Stripper und Go-go-Girls mit, um die bösen Geister abzulenken. I-Chen spielt modernes Klageweib, wird gefilmt, wie sie sich in der Garderobe umkleidet. Zweiter starker Moment ist Astrids Butoh-Ulk auf Geburt und Tod einer Pflanze, leuchtenden Auges beim Wachsen, grunzend beim Zusammensinken. I-Chen erinnert einen Workshop bei dem bedeutenden Ausdruckstanz-Lehrer Jean Cebron, der in Kurt Jooss’ Antikriegsballett „Der grüne Tisch“ den Tod getanzt hatte und seine Altersleiden nicht akzeptieren wollte. Astrid wiederum ist die Erfindung eines neuen Schritts gelungen, der reichlich spastisch wirkt. Aus Roberts Zivi-Leben in einem Altenheim und dem Tod einer fetten Alten, der die Knochen gebrochen werden mussten, damit sie in den Sarg passte, springt das Stück zurück zur Literatur.

Edgar Allan Poes „Maske des Roten Todes“ in der Filmversion mit Vincent Price wird ausgeschlachtet, der Inhalt von Thomas Manns „Tod in Venedig“ lakonisch auf drei Sätze reduziert, das blutleere Antlitz eines verstorbenen Jungen bei Zola ausgekostet, und auch Andersens „Rote Schuhe“ tauchen auf. Gregs Kinderrolle im „Zauberer von Oz“ als Skelett, mit baumelnden Armen, steht am Ende. Die Szene vom Dauer-Erschießen gerinnt da zur Pose: als schwacher Schluss eines fatal seichten Schnipsel-Stücks mit mattem Amüsierfaktor, das in den Untiefen des Todes strandet, ohne auch seine Tiefe aufblitzen zu lassen.

www.sophiensaele.com

 

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