Maskierte Boygroup auf der Suche nach dem Mann-o-Mann

Yossi Bergs und Oded Grafs „4men, Alice, Bach and the deer“ auf dem XtraFrei-Festival in Bremen

Bremen, 15/07/2010

von Jens Laloire

„Neue Männer braucht das Land!“ sang Ina Deter Anfang der 80er, und in den 90ern suchte Peer Augustinski auf Sat.1 in seiner Gameshow „Mann-o-Mann“ den Supermann des Abends. Auch die israelischen Tänzer und Choreografen Yossi Berg und Oded Graf begeben sich in ihrem Tanzstück „4men, Alice, Bach and the deer“, das in einer leicht gekürzten Fassung am Samstagabend auf dem XtraFrei-Festival in der Schwankhalle Bremen zu sehen war, auf die Suche nach richtigen Männern. Was ist das eigentlich, ein richtiger Mann?

Je zwei Schritte vor und zwei Schritte zurück bewegen sich vier Männer mit bunten Ledermasken im Halbdunkel vor der weißen Rückwand zur heiteren Popmusik, bis einer aus der Reihe ausbricht und sich einem Model gleich in Pose wirft. „Mann, bin ich toll!“ scheint da jemand sagen zu wollen, indem er lasziv den eigenen Oberkörper streichelt, ein imaginäres Lasso schwingt oder mit den Fäusten auf dem Brustkorb trommelt. Da steht er im Zentrum der Bühne: Der Hahn in jedem Korb! Doch seinen drei Mitstreitern gefällt dieses Rampensaugehabe gar nicht, sie stoppen die Performance und nehmen die Masken ab. Der Konkurrenzkampf ist eröffnet.

In den folgenden Minuten wird es tänzerisch interessant: Mit angedeuteten Schlägen, Catchgriffen und Würfen ringen die vier Männer zur Violinmusik von Bach um die Vormachtstellung: Wer ist der Mann-o-Mann des Abends? Aber die Männer kämpfen nicht nur miteinander, indem sie einander packen, umklammern, drücken und von sich stoßen, sondern sie versöhnen sich auch immer wieder in kurzen Umarmungen. Dieses dynamische Wechselspiel zwischen Kampf und Versöhnung wiederholt sich, bis alle Männer erschöpft, aber lässig am Boden liegen und sich erneut mit ihren Masken in Positur bringen.

Nur einer bleibt unmaskiert und übernimmt die Rolle eines Erzählers. Seine Geschichte handelt von vier hochpotenten Männern, die mit Bier und Fleisch in einem Haus leben und alle auf ihre Nachbarin Alice scharf sind. Die drei Maskierten klinken sich in die Erzählung ein mit synchronen Tanzschritten und Bodypercussion. Der Rhythmus steigert sich, bis zum permanent wiederholten chorischen „Alice says yes!“. Die Antwort auf die entscheidende Frage: Will Alice bei ihnen die Nacht verbringen? Das Stück steuert mit einem Gesangs-Medley aufs Finale zu.

Über den gemeinsamen Gesang pumpt die tanzende Boygroup sich und ihre Erwartungen auf: „Alice says yes!“, keine Frage, Alice will! Oder doch nicht? Plötzlich fährt ein „No!“ der Selbstbestätigungsperformance in die Parade: Einer der Protagonisten fällt aus der Rolle. Es entspinnt sich ein Duell, das klären muss, wer im Recht ist: der selbstgewisse Gockel oder der kritische Ausreißer? Doch der Zweikampf gleitet über in eine homoerotische Szene, die mit Gestöhne und eindeutigen Hüftbewegungen zu einer Slapsticknummer verkommt.

Am Ende gibt es keinen Sieger und keine eindeutige Antwort auf die Frage, was einen echten Mann ausmacht. In ihrer schwungvoll kurzweiligen Performance präsentieren die Tänzer Hillel Kogan, Irad Mazliah, Oded Graf und Yossi Berg ein Panoptikum klassischer Männerklischees, um sie letztlich zu dekonstruieren. Es gibt ihn nicht, den Mann-o-Mann, was das Publikum aber nicht zu stören scheint, im Gegenteil: Die vielen Lacher und der Jubelsturm nach der Vorstellung zeugen von Begeisterung über diese zwar nicht subtile oder gar berührende, aber doch rasant komische Inszenierung.

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