„15 Years Alive“
Gauthier Dance mit einer grandiosen Jubiläumsgala im Theaterhaus Stuttgart
Kurz und schmerzhaft: „Der sich den Wolf tanzt“ von Nicki Liszta im Theaterhaus
Das versprach spannend zu werden: an den Wänden hängen ausgestopfte Jagdtrophäen mit Mikrofonen vor den haarigen Schnauzen, von der Decke baumelt kopfüber eine Tänzerin, bedrohlich rauscht es in den Boxen. Doch ach, sehr viel weiter kommt die Uraufführung mit dem schönen Titel „Der sich den Wolf tanzt“ nicht, denn nach mehreren Tonaussetzern tritt die junge Stuttgarter Choreografin Nicki Liszta vors Publikum und plaudert leicht nervös gegen die technischen Probleme an.
Während Tontechniker Kaspar erst mal die große Leiter holt, auf Schalter drückt, Geräte auswechselt und gemütlich eine Leitung von der Decke zum Tonpult fädelt, hängt Tänzerin Isabelle weiter in den Seilen und niemand macht sich die Mühe, sie herunterzuholen. Die Ironie der Situation wird immer haltloser, die Conférence immer launiger – schon lange sind wir mittendrin in einem von Nicki Lisztas anarchistischen Stücken, Teil zwei der Reihe „Das Leben ist kein Ponyhof – Die 7 Todsünden“, die im Dezember im Rotebühltheater begonnen hatte. Genau wie das düstere, groß besetzte Familiendrama „Das Lux Protokoll“ vor einem halben Jahr lotet auch das jetzige Tanztheater eine Skala zwischen körperlicher Extrembelastung und abstrusem Entertainment aus, balanciert fröhlich auf dem scharfen Grat zwischen Witz und Schrecken. Wenn auch im Ultrasparformat – Angst in kleinen Dosen, sozusagen.
Kaum funktionierte die Technik wieder, wurde der brave Kaspar zu Strafe kopfüber in ein Holzfass gesteckt, wüst herumgerollt und dann mit Kieselsteinen traktiert, als Demonstrationsobjekt für ein kleines Quiz rund ums deutsche Märchengut: Wer erkennt die ganzen Anspielungen? Dass der gefesselte Prinz dann beim Waterboarding fast ertrinkt, live und in Farbe in diesem Theater, vermittelt eine Ahnung von Lisztas schrillen Schreckensszenarien; in ihren Stücken ist man vor keiner Überraschung sicher. Später rollen die Choreografin und Isabelle von Gatterburg kämpfend über den Boden und tanzen sich eben nicht den Wolf, sondern stecken mit Kaspar Wimberley ihre Köpfe neben dem Wildschwein aus der Wand und plaudern in fröhlicher Belanglosigkeit über den Stuttgarter Kräherwald und seine neuen Bäume. Bereits nach 35 Minuten verbeugten sich dann die Mitwirkenden vor ihrem konsternierten Publikum. Nö, dachten sich die Zuschauer, ihr habt uns grade schon mal satt verarscht, man blieb geschlossen sitzen und machte bis zur tatsächlich erfolgenden Zugabe einfach selbst ein bisschen Theater. „Am schönsten ist es doch, wenn man allein ist“, klang dann in äußerster Ironie der letzte Satz aus der Trophäenwand. Erst als gar nichts mehr passierte, räumte das Volk widerwillig und grinsend den Raum. Aber vielleicht spielen sie dort immer noch, wer weiß das schon.
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