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Balé da Cidade de São Paulo bringt drei Deutschlandpremieren ins Forum Ludwigsburg
Der Tanz der Aborigines: das australische Bangarra Dance Theatre auf Deutschlandtournee
Von diesem Tanz stäubt noch der Wüstensand – im Forum am Schlosspark in Ludwigsburg zeigte das Bangarra Dance Theatre den Tanz der Aborigines, der so lange unterdrückten und verfolgten Ureinwohner Australiens, deren Kunst und Kultur das Land heute endlich wieder stolz präsentiert. In den Choreografien der vor zwanzig Jahren gegründeten Kompanie aus Sydney vermischen sich traditionelle, archaische Bewegungen mit dem Modern Dance zu einem faszinierenden Tanzstil: weich in den Bewegungen und manchmal so flüssig wie Wasser, doch ständig von einem pulsierenden Leben durchglüht, vor allem in den homogenen Gruppen, die sich wie ein einziger Organismus bewegen. Mit einem Mal versteht man die Faszination, die Jiří Kylián seit den frühen 80er Jahren für den Tanz der Aborigines empfand, sie floss in manche seiner Stücke wie „Nomaden“ oder „Stepping Stones“ ein.
Getanzt wird natürlich barfuß, sehr oft sind die Körper oder Gesichter der Interpreten in den erdigen Tönen des australischen Kontinents gefärbt – im warmen Rot der Felsen, einem geisterhaft bleichen Weiß, im Grau der Kängurus oder in Ocker- und Brauntönen bis hin zum Schwarz. Die Wüste ist stets präsent, oft stäubt ihr Sand von den Körpern, vom Boden oder aus den Zweigen, mit denen die Luft gereinigt wird. Weiß leuchten Streifen auf den Körpern der Geister, schwarze Bänder umgeben die Augen, unheimliche Streifen und Punkte verfremden die Gesichter. „Spirit“ heißt das zweistündige Werk, mit dem die Tänzer von der Vergangenheit ihrer Völker erzählen, von der Natur, den Tieren, Geistern und Mythen - und von dem Leid, als die Weißen kamen. Eher symbolisch als pantomimisch zeigen die Tänze in kurzen Szenen den Kreislauf des Lebens. Wir sehen Jagdbilder, die Initiation junger Männer, groteske Geister an Stöcken oder ein unheimliches Fabelwesen, das sich aus der Erde gräbt. Und Tiere: die jungen Männer imitieren Kängurus, um deren Kräfte zu gewinnen, sie fangen einen blutroten Mantarochen, von dessen Rücken der Sand des Meeresbodens herabzittert.
In einem Tanz zweier Falter integriert Choreograf Stephen Page die Leichtigkeit des klassischen Stils in das erdverbundene Idiom der Aborigines – denn vieles spielt sich hier kriechend, windend, wippend oder wirbelnd auf dem Boden ab –, und es entstehen Bilder von fremdartiger Schönheit. Die Decken, die einst von den Kolonialherren verteilt wurden, enthielten absichtlich Krankheitskeime: wie sterbende Tiere winden sich die Ureinwohner unter den schweren Stoffen, wir sehen die Wirkung des giftigen Bergbaus oder den Konflikt mit dem Christentum. „Es ist die einzige lebende Kultur, die ich kenne, denn sie ist nur dann zu sehen, wenn sie aufgeführt wird, wenn sie ihre Geschichten erzählen und ihre Tänze tanzen, denn nichts davon ist aufgeschrieben“, hat Kylián einmal in einem Interview gesagt.
Selbst in dieser modernisierten Form und mit einer etwas zu eingängigen Musik berühren die Tänze mit einer für uns hochtechnisierte und hochzivilisierte Europäer fremd gewordenen Authentizität. Als Soundtrack erklingt zu den knapp zwanzig Szenen eine Mischung aus traditioneller Musik und sphärischen Klängen, gespielt vom Didgeridoo und starken Trommeln, gemischt mit Vogelrufen und Pfeifen, aber auch modernen Tönen bis hin zu treibendem Rock und den nervösen Beats aktueller House-Musik. Die Biografie aller 14 Tänzer im Programmheft beginnt mit der Auskunft, zu welchem Stamm sie gehören; alle sind Aborigines oder Torres Strait Islander, die Bewohner der Inseln zwischen Nordaustralien und Papua-Neuginea. Mitten unter ihnen nimmt Kathy Balngayngu Marika die Stelle einer Erzählerin, Lehrerin und Schamanin ein, eine alte weise Frau, würdevoll und wie aus einer vergangenen Welt. Sie ist es, die im erhabenen Finale mit einer weiten, tröstlichen Geste die vor ihr Liegenden in den Schlaf, den Tod versenkt und sie dem ewigen Kreislauf der Natur zurückgibt.
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