koeglerjournal aufbereitet
Mit spitzer Feder auf Pilgerfahrt für den Tanz
Gastbeitrag von Ilona Landgraf
Erfreulich, dass Laure Guilbert dank des Artikels „Tanzen mit dem 3. Reich“ in der aktuellen Ausgabe der „tanz“ (08/09 2012) nun endlich auch in Deutschland in die Wahrnehmung der tanzaffinen Öffentlichkeit rückt. Horst Koegler hatte sich im letzten Sommer begeistert über sie und ihr Buch „Danser avec le IIIe Reich. Les danseurs modernes et le nazisme“ geäußert, ja ihr sogar ein koeglerjournal gewidmet.
Doch ernüchtert, was Guilbert da im Gepräch mit Annette von Wangenheim äußert. Koegler sei in der Nachkriegszeit ideologisiert von der liberalen Antitolitarismus-Kampagne Amerikas gewesen. Außerdem befangen darin, die Realitäten der jüngsten Vergangenheit „objektiv“ zu sehen. Warum objektiv in Anführungsstriche gesetzt wurde ist mir schleierhaft. Soll die Objektivität etwa in Frage gestellt werden? Guilbert erwähnt einen Besuch bei Koegler, der Ende Juli 2011 auch stattgefunden hatte. Was bei den beiden Gesprächen in Stuttgart aber inhaltlich herausgekommen war, wird nicht ganz klar. Stattdessen bezieht sie sich auf eine inzwischen vierzig Jahre alte Veröffentlichung Koeglers im Friedrich Verlag. Kein Wort darüber, wie sehr er ihre Arbeit begrüßte und wertschätzte. Seine Begeisterung reichte so weit, dass er sich an verschiedenen Stellen darum bemühte, ihrem Buch zu einer deutschen Veröffentlichung zu verhelfen. Von Verdrängen und Vergessen, einer laut Guilbert die Nachkriegsgeneration prägenden Haltung, kann da wohl nicht die Rede sein. Kogelers Liebe zur Neoklassik Balanchines – fast klingt es, als solle dies als Beispiel für seine ideologische Imprägnierung durch die Besatzungsmacht dienen. Wer bitte war von Balanchine nicht beeindruckt, ja hingerissen? Marie Rambert soll sich 1979 im Royal Opera House bis zum Orchestergraben vorgekämpft haben, um Balanchine zuzujubeln. Sie war damals immerhin schon neunzig. NYCB war das Ereignis! Und dass das Londoner Publikum samt und sonders irgendwelchen Ideologien anheimgefallen war, wage ich zu bezweifeln.
Es ist so einfach, dem anderen mangelnde Objektivität gegenüber der Vergangenheit vorzuwerfen - zumal wenn derjenige schon verstorben ist - und nichts anderes als ein Vorwurf ist es doch, wenn aus dem Mund der Nachkriegsgeneration stammend. Koegler war damals Anfang zwanzig, er hatte den Kopf voll mit Tanz, Oper und Theater. Ist es angemessen, ihm vorzuhalten, die Kunst sei ihm wichtiger gewesen als die Politik? Vielleicht wäre für Guilbert ein Blick in Koeglers Beitrag „Eine vitale Vielseitigkeit“ (in: Tanz in Deutschland, Ballett seit 1945, Quadriga Verlag,1984) lohnenswert gewesen, in dem er durchaus den Tanz vor 1945 kommentiert. Vielleicht nicht unter dem von Guilbert offenbar bevorzugten historisch dominierten Aspekt, aber Koegler war in erster Linie Kritiker! Historisch bestens orientiert, aber nicht Tanzwissenschaftler oder Historiker! Gerade weil Guilbert wissenschaftlich arbeitet, hätte ich mir einen differenzierteren Kommentar zur Person Koeglers gewünscht. Wo bleibt in diesem Fall die Objektivität?
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