Sicherheit war einmal
Ein Fotoblog von Ursula Kaufmann
Mathilde Monniers Tanzperformance „Twin paradox“ bei der Ruhrtriennale
„Twin paradox“, Mathilde Monniers zweite Tanzperformance für die Ruhrtriennale nach der Schaumorgie „Soapéra“, bezieht sich auf das gleichnamige physikalische Phänomen. In dem fiktiven, aber wissenschaftlich bestätigten Experiment mit eineiigen Zwillingen wird dargestellt, dass der agilere Zwilling schneller altert als der ruhigere. Fünf Paare exerzieren die Verkettung von Zwillingen auf einem orangen Gitter-Podest in der Gladbecker Maschinenhalle Zweckel. In den ersten 25 Minuten der Performance demonstrieren die Paare größtmögliche Nähe in Zeitlupe. Die nächste Viertelstunde ist mit asiatischem Sportkampf und Arme-Zerren gefüllt.
Orange Schnipsel segeln dann wie Herbstlaub von oben, quasi als Vorhang. Am Rand des Podests rasten die Paare und wechseln ihre psychedelisch bunten Shirts und Leggings. Hand in Hand gehen vier der Paare nach der Verschnaufpause mit weit ausholenden Schritten über die Spielfläche. Arme werden weit ausgebreitet, malen fernöstliche Gesten in die Luft. Dann formen die Paare – teilweise raffinierte – Skulpturen. Hautnähe und permanenter Kontakt sind nun aufgelockert, das Tempo wieder auf slow motion reduziert. Von unten werden die orangen Schnipsel nach oben gepustet. Maschinell repetitive Abläufe wirken quälend und gequält - schiere Folter. Wenn ein Partner ausscheren will, wird er/sie zurück in die Umarmung gezwungen. Schließlich das „unheimlich schöne“ Finale: bis zur Erschöpfung hat der/die Fliehende sich verausgabt. Nun will das Alter Ego ihn/sie verlassen, rennt aber immer wieder zurück, wenn der/die andere zusammensackt. Das könnte endlos so weitergehen, endet aber abrupt.
Begleitet werden die „ex.e.r.ce“ (so nannte Monnier ihre frühe Performance-Versuchsreihe choreografischer Etüden) von einem „Soundscape“ von Luc Ferrari, einer Klang- und Geräuschcollage zwischen Fetzen aus Beethovens „Schicksalssinfonie“, Wasserplätschern, Verkehrslärm und menschlichen Stimmen – bis hin zum vielfach gehauchten „Unheimlich schön“ einer Frauenstimme zu unmissverständlich lautem Atmen und Stöhnen. Eine kleine Schwalbe flatterte während der Premiere durch die Halle, verzweifelt den Ausgang suchend. Höflich applaudierte das Publikum am Ende der langatmigen, aber offenbar schon stark verkürzten, pausenlosen „Deutschen Erstaufführung“. Wieviel spannungsvoll theatraler ist Nanine Linnings „Synthetic Twin“!
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