Brautkleid bleibt Brautkleid...

Carlos Cortizos „Mosaik 2 / Streiflicht“ in der Tafelhalle Nürnberg

Nürnberg, 05/02/2012

Farbiges, scharf gekantetes und zu Blöcken und Dreiecken geschnittenes Pixelgewirr zittert rechts und links an den Wänden. Man schaut´s an, und nimmt dann die weiße Skulptur mitten auf der Bühne in den Blick: Übereinander geschichtete Stoffe mit Spitze und mit Perlen ahmen einen stehenden Frauenkörper nach. Leonardo Rodrigues betritt weiß gewandet die Bühne. Man erinnert sich noch, dass er Schicht um Schicht abnahm, bis das lange Frauenhaar über den bloßen Rücken fiel. Auch die andere Tänzerin, Tina Maria Essl, arbeitete behutsam mit. Irgendwann verschwand sie auf der hinteren Bühnenfläche.

Die Erinnerung konkretisiert erst ihr sehr viel späteres Flüstern eines grandiosen Textes von Brea Cali, in dem unter anderem der Satz fällt: „Es braucht eine Zeit, um unrealistisch zu werden“. Längst folgt man zu diesem Zeitpunkt dem Sog dieser ausgezeichneten choreografischen Komposition. Das Stück mit dem Titel „Mosaik 2 / Streiflicht“, eine Fortentwicklung Carlos Cortizos Produktion „Mosaik“ aus dem Jahr 2005, ist das, was man sieht und es ist wunderbar. Stimmung und Spannungsbogen stimmen. Nie gehen die Protagonisten mit ihren Emotionen in die Dinge hinein, die sie tun, bleiben aber auch nicht außen vor. Sie sind das, was sie tun. Das Bild, das das Stück abgibt, Tänzer und ein Haufen aus Brautkleidern, bleibt bei sich und damit unbelastet von irgendwelchen Geschichten. Das ganze Stück reichert sich vielmehr an aus einer Summe von Aktionen, die sich in den eigenen Denk- und Empfindungskörper im Fortgang der Ereignisse einschreiben. Und nur so kann man auch über es schreiben. Kleider werden gefaltet, gerollt, zu Päckchen gebunden, an Kleiderbügeln festgesteckt, an Hacken gehängt.

Tina Essl und Eva-Maria Christ tragen sie, und immer wieder sammeln sie mit ihren Armen die selbstbewusst nach unten hängenden Tüllschichten ein, heben sie nach oben, so dass ihr Kopf darin verschwindet, die Beine nackt im Raum stehen. Man hört ein leises Rauschen, manchmal Plätschern, manchmal Beats, dann wieder Stille. Fast meditativ startete Eva-Maria Christ im lose übergestülpten Brautkleid ihren Tanz. Man entdeckt eine klare Linienführung der Arme und Beine, oft geometrisches Material, bodennah. Gemeinsam mit Essl pflügt sie in ihrem weißen Stoffbausch Bahnen über den Tanzboden, ein athletischer Gleichklang. Da ein Pas de trois. Winzige Momentaufnahmen konkretisieren für einen Augenblick, evozieren Bilder. Irgendwann denkt man an Garcia Lorcas „Bluthochzeit“, an eine Flamencotänzerin, an Dalí. Währenddessen hat sich das Stück in seinem inneren Gleichmut längst an einem vorbeibewegt, weiter hinein in jenes Zwischenreich, von dem nur der Tanz erzählen kann. Surreal.

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