"Campo Amor" Jochen Ulrich

„Campo Amor“ Jochen Ulrich

Wasserballett auf großer Bühne

Jochen Ulrichs „Campo Amor“ im neuen Musiktheater Linz

Aus dem Schlachtfeld der Liebe wird ein Meer der Tränen: sich einem feindlichen Mann gegenüber wähnend, misst sich Tancred im Kampf mit ihm, tötet aber in Wahrheit seine Geliebte Clorinda.

Linz, 15/04/2013

Wo sie starb, weint er Tränen der Trauer - und der (Bühnen-)Himmel öffnet alle Schleusen, bis das blau-grün schimmernde Becken fast überläuft. Aus dem Totenreich sucht Tancred seine Clorinda zurückzuholen. Aber der Orpheus-Mythos ertrinkt förmlich im wilden Plantschen des Paares und seiner vielen Seelen. Nur Tancreds lange Totenklage - ein berührendes Solo - knüpft an die Poesie der ersten Szene an.

Ulrich konzipierte das Ballett 2008 für das Landestheater Linz, wo er von 2006 bis zu seinem Tod im November 2012 wirkte und sich enormer Popularität beim Publikum und hoher Wertschätzung im Kollegenkreis erfreute. Mit dem Opern- und neugegründeten Musical-Ensemble sollte auch das Ballett ins neue, größere „Musiktheater“ übersiedeln. „Romeo und Julia“ wird dort Mitte Mai 2013 Premiere haben. An der Adaption von „Campo Amor“ gleich in der Eröffnungswoche für die riesige, technisch hochmoderne Bühne arbeitete Ulrich schon, als er starb. Er konnte seine Arbeit daran nicht beenden. Seine Assistentin Sarah Deltenre studierte die Wiederaufnahme ein, großenteils in der originalen Besetzung von 2008 mit dem sensiblen Martin Dvořák und der eleganten Anna Ṥterbová in den Hauptrollen.

Claudio Monteverdi vertonte den 12. Gesang aus Torquato Tassos Epos „Das befreite Jerusalem“. Seine Musik spielt das Bruckner-Orchester in kammermusikalischer Besetzung unter Ingo Ingensand, auf der Hinterbühne sitzend. Davor thront auf einem Turm der Rezitator (Martin Achrainer). Die Gesangssolisten Cheryl Lichter (Clorinda) und Seho Chang (Tancred) sitzen während des Kampfes vorn auf der Abdeckung des Orchestergrabens, einander zugewandt.

Zum Szenenwechsel perlen durch den Regen Klavierkantilenen aus Philip Glass' Filmmusik zu „The Hours“. Wasser und Glass - das passt wunderbar, verrät aber nicht eben große Tiefe. Auch bleiben Akteure und Aktionen - oft geradezu brutale, athletische Wasserschlachten - einigermaßen nebulös. Vorn über dem Orchestergraben ist nun die Unterwelt. Fast behaglich hat man sich hier eingerichtet mit vielen Teppichen, die mitunter zu Stolperfallen werden, vor allem für die Herrin des recht zwielichtig wirkenden Reichs im strengen schwarzen Hosenanzug und auf hohen Stilettos (Irene Bauer). Links räkeln sich Mädchen in Blümchenkleidern auf Plüschsesseln und Sofas. Auch sie plantschen ab und an im Wasserbecken. Meist aber rangeln und hechten hier die Männer, klatschen mit vehementer Kraft die Brautkleider aufs Wasser. Als Henry Purcells Arie des Genius der Kälte aus „King Arthur“ erklingt, erreicht Tancred endlich das Totenreich. Ermattet haucht er sein Leben aus…

Vor allem die enorme Tiefe der Bühne ermöglicht dem Ensemble große Gesten und Bewegungsfreiheit jenseits der Zuschauerbereiche - anders als im Haus an der Promenade, wo die Männer ihre Frauen durch den Saal trugen. Auch scheinen die Lichteffekte, die fliegenden Wassertropfen, die sich zum glitzernden Perlenvorhang fügen, brillanter und farbenprächtiger die Strahlenbündel. Das Publikum liebt diese Choreographie nach wie vor und applaudierte herzlich.
 

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