„Dornröschen“ von Stijn Celis. Tanz: Sandra Marín Garcia

„Dornröschen“ von Stijn Celis. Tanz: Sandra Marín Garcia

Vom Märchen in die Realität geküsst

Stijn Celis choreografiert seine Fassungvon „Dornröschen“ in Luzern

Zusammen mit dem jungen Ensemble Tanz Luzerner Theater lässt der belgische Choreograf Stijn Celis Dornröschen aus der Märchenwelt aufwachen, als erwachsene Frau. Ein Märchen heute erzählt – in expressiver zeitgenössischer Bewegungssprache.

Luzern, 18/11/2013

Es sind die tradierten Strukturen und die Märchenelemente die Choreograf Stijn Celis, gereizt haben, für Dornröschen eine persönliche Leseart zu kreieren. „An der Geschichte interessiert mich die erzählende Ballettmusik, die ich tänzerisch und psychologisch in eine neue Sprache übersetze“, erzählt Celis. Es ist die Geschichte von „Dornröschen“, das aus seinem Mädchentraum erwacht – als erwachsene Frau in der Realität. „Ich liebe die Komplexität von Märchen“, erklärt Celis, „bei „Dornröschen“ gibt es viele Nebengeschichten zu erzählen“.

Die Figurenentwicklung nimmt vor allem im 2. Akt ihren Lauf. Der Prinz entwickelt sich zu einem jungen Mann, der sich aus den Fesseln seiner Mutter, der bösen Fee Carabosse, zu winden versucht. Diese Rolle tanzt die spanische Gasttänzerin Sandra Maria Garcia, die mit ihrem darstellerischen Talent in Bann zieht. Ihr Pas de deux mit Jim De Block (Zweitbesetzung: Davidson Farias) ist einer der Höhepunkte dieses Ballettabends. Sie versucht ihn an sich zu binden, er sehnt sich nach Freiheit. Der Prinz verliebt sich ausgerechnet in Dornröschen (getanzt von Chiara Dal Borgo/Rachel Lawrence), in diejenige Frau, die seine Mutter verwunschen hat. Carabosse zerbricht und mit ihr ihre dunkle Macht.

Die Geschichte erzählt Celis in klassischer Weise und ergänzt diese mit schrillen modernen Elementen, die er sich aus der Gegenwart ausleiht: Die guten Feen tragen blonde Perücken und knappe Kostüme, die Prinzen Sonnenbrillen und Hosen in Zebramuster. Doch sind es nicht die grellen skurrilen Kostüme, der Charakter jeder Figur kommt durch ihre eigene Bewegungssprache zur Geltung. Es ist eine höchst expressive zeitgenössische Tanzsprache – abstrakter Tanz, der sich in poetischen Bildern verständlich macht. „Die Bewegungssprache, um all die Emotionen zu erzählen, ist auf dieser kleinen Bühne expressiver als für eine große“, so Celis.

Die Architektur der Körper im Raum unterstützt auch das Bühnenbild von Jann Messerli: ein dynamischer Raum mit Schrägen und Spiegeln. Der Bühnenraum als eine Struktur, die über Zeit und Ort hinausweist – in eine unbekannte Welt hinaus. Für Celis, selbst Szenograf, ist dieses Raumdenken zentral: „Wenn ich Musik höre, beginne ich den Raum um diese Musik zu bauen – wie eine Metamorphose vom Raum zum Tanz“.

Dornröschen ist für ein großes Orchester und eine mächtige Bühne geschrieben. Celis inszeniert es in Luzern mit einer jungen Kompanie von 13 Tänzerinnen und Tänzern als Kammerspiel. Unter der musikalischen Leitung von Michael Wendeberg spielt das Luzerner Sinfonieorchester Tschaikowskis Klassiker in gekürzter Fassung. Im Stück wurden Passagen gestrichen, die Geschichte wird in zwei Akten getanzt. Eine musikalische und tänzerische Herausforderung, die in Luzern gut gelungen ist.

Premiere vom 27.9.2013, gesehene Vorstellung am 16.11.2013
 

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