Tanzt, sonst sind wir verloren

2. Benefiz-Tanzgala zu Gunsten der AidsHilfe Münster e.V.

Wo bei Galas andernorts, zumal in Häusern mit klassischer Kompanie, Paradebeispiele höchster Virtuosität zu Jubelstürmen hinreißen, setzen kleinere Häuser eher auf einen bunten Strauß unterhaltsamer Kostproben aus der Vielfalt zeitgenössischen Tanzes.

Münster, 15/06/2014

Für die mittlerweile an vielen deutschen Theatern zum Welt-Aids-Tag traditionellen Benefiz-Galas könnte das Zitat gelten, das Wim Wenders seinem „Pina“-Film als Untertitel gab: „Tanzt, sonst sind wir verloren“. Ganz sicher wird die Tanzgala zu Gunsten der Aids-Hilfe auch in Münster zur Tradition werden, wenn auch nicht am 1. Dezember. Schon jetzt steht fest: nach dem 14.6.14 folgt sie am 15.6.15 im Großen Haus des Stadttheaters und wird sicher wieder Wochen vorher ausverkauft sein. Mutig und mit einem Augenzwinkern hat Hans Henning Paar die 2. Folge ans Ende der Spielzeit auf ein einprägsames Datum gerückt - wenn die meisten Premieren schon geschafft sind und Tänzer von den Ballettdirektoren leichter freigestellt werden können. Wie sehr die Münsteraner dieses Event schätzen, demonstrierten sie gestern wieder mit Minuten langen Ovationen.

Wo bei Galas andernorts, zumal in Häusern mit klassischer Kompanie, Paradebeispiele höchster Virtuosität zu Jubelstürmen hinreißen, setzen kleinere Häuser eher auf einen bunten Strauß unterhaltsamer Kostproben aus der Vielfalt zeitgenössischen Tanzes. Neoklassisch wurde es nur zweimal: die zauberhaft grazile und federleicht schwebende Igone de Jongh und Casey Herd von Amsterdams Het National Ballet präsentierten die Balkonszene aus Prokofieffs „Romeo und Julia“ in der nicht eben neuen Choreografie Rudi van Dantzigs. Technisch am anspruchsvollsten war sicher der Ausschnitt aus William Forsythes „In the Middle, Somewhat Elevated“, akkurat getanzt von Courtney Richardson und Oleg Klymyuk vom Semperoper Ballett.

Die Verflechtungen von Körpern, ihr Zerfließen und Wiedervereinen zu bewegten Skulpturen aus Stephan Thoss' „Loops and Lines“ zeigten mit jugendlichem Engagement Valeria Lampadova, Ayumi Sagawa, Frank Pedersen und Florian Teatiu aus Wiesbaden. Das Bayerische Staatsballett II entsandte Gianmarco Romano und Florian Sollfrank mit einem Pas de deux aus Ralf Jaroschinskis „Intuition blast“ - eine virtuose Lachnummer, die staunen und lachen machte.

Wie hart sich mancher Mensch mit Regeln tut, stellte der Italiener Simone Deriu in seinem Solo aus „Regula“ urkomisch dar. Mit zwei Pas de deux (aus „Ausschnitte“ des Brasilianers Henrique Rodovalho und „Voices“ seines Landsmanns Ricardo Fernando) beeindruckte Ana Rocha Nené mit Brendan Feeney bzw. Huy Tien Tran vom Ballett Hagen.

Den Rahmen füllten, wie bei der vorjährigen Gala, Hans Henning Paars Münstersche Tänzer: von edlem Raffinement glitzert der sehr geschmeidige Pas de trois „Threesome“ mit Maria Bayarri Pérez, Vladimir de Freitas Rosa und Marcelo Moraes. Mit dem köstlichen Rausschmeißer „HoMaHo“ - einer tapsig-witzigen Neandertaler-Nummer aus seiner Kasseler Zeit - begeisterte Paar als Entertainer. Noch hinreißender allerdings war das Solo für Marcelo Moraes, die zweite Uraufführung für diesen Abend, als „Sterbender Schwan.“ Höhepunkt des Programms war, für mich jedenfalls, Paars Salome-Paraphrase „Lass mich deinen Mund küssen!“ geflüsterte Texte aus Oscar Wildes Tragödie zu Arvo Pärts „Fratres“ mit der langbeinigen Sandra Guénin (Salome) und dem geheimnisvollen Cornelius Mickel (Prophet Jochanaan). Was für eine reiche tänzerische und choreografische Vielfalt! Die beiden Schauspieler Dennis Laubenthal und Christoph Rinke führten kabarettistisch durch das Programm.
 

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