Frauengeführtes Theater
Wanda Puvogel wird neue Tanzchefin in Luzern
Barocke Balustraden, Putten, rote Vorhänge und Ornamente mit Goldüberzug – für viele Theaterbesucher ein altbekanntes Bild des Zuschauersaals. An diesem Abend steht der Barock jedoch auf der Bühne. Tanz Luzerner Theater eröffnet mit der Uraufführung von Fernando Melos „Don Juan“ seine neue Spielzeit und entführt das Publikum in die Zeit der Wanderbühnen, der Commedia dell’arte und der barocken Bilderpracht.
Der Auftrag lautete: ein zeitgenössisches Handlungsballett mit Beteiligung des Luzerner Sinfonieorchesters. Und was liegt da im Jahr 2014 näher als Don Juan? - Sex and Crime funktioniert noch immer. Und dann ist da noch der Verweis auf die Moral, ein passender Hinweis in einer Gesellschaft, die sich im Zuge weltweiter Konflikte wieder (mehr) hinterfragt. Und nicht zu vergessen Christoph Willibald Gluck, der Komponist der dieses Jahr seinen 300. Geburtstag feiern würde und der mit seinem „Don Juan“ 1761 das Handlungsballett mitentwickelte.
Tanz Luzerner Theater zeigt weder ein orgiastisches Spektakel noch ein strenges Moralstück. Angelehnt an Tirso de Molinas „Der Betrüger von Sevilla“ (1613), eine der ersten literarischen Auseinandersetzungen mit dem Frauenheld Don Juan, kreiert der junge brasilianische Choreograf Fernando Melo gemeinsam mit dem Ausstatter Patrick Kinmonth ein visuell ausdifferenziertes, der barocken Ästhetik verpflichtetes und die menschlichen Beziehungen in den Mittelpunkt stellendes Kammerstück. Im Gewand einer Wanderbühne präsentiert sich Kinmonths Ausstattung. Einfach, variabel und doch so vielseitig sind die schräge Holzbühne, die dünnen, in barocker Architektur bemalten Schiebewände und die aus Holzlatten gezimmerten Requisiten. Die Tänzerinnen und Tänzer gestalten sich ihre Bühne selbst, bauen um, verschieben Wände, schaffen Räume, ändern Perspektiven. Und doch ist diese scheinbar so einfache Kulisse tief verankert in der Liebe des Barock zur Perspektive, zum Changieren zwischen Kunst und Natur, Ernst und Spiel, Zeigen und Verstecken.
Leider schafft es Fernando Melo in seiner Choreografie nicht, diese Vielschichtigkeit der Ausstattung aufzunehmen. Durchaus überzeugend, stellenweise humoristisch und ergreifend, erzählt Melo die Geschichte Don Juans. Wie dieser auf kunstvollste Art und Weise Frauen verführt, von Frauen verführt wird und sich letztlich im Gegenüber seines Spiegelbilds der Problematik seines vorher ach so lustvoll erschienen Tuns bewusst wird. Doch erzählt er weniger durch Tanz als vielmehr durch Situation und Pantomime. Tänzerisch bleibt das Stück so weitgehend eindimensional. Schade, denn der Bewegungssprache Melos liegt eine spannende Idee zu Grunde: jede Bewegung entsteht durch Kontakt, erst das Zusammentreffen von Körpern initiiert den Tanz. Hier wird das Geschehen verankert in der Gesellschaft und ihren soziale Dynamiken - gerade für den Don Juan Stoff eine gewinnbringende Perspektive. Leider entwickelt Melo dieses Grundprinzip nicht weiter und kommt nicht über Momente des Stillstands hinweg.
Davon lenkt auch die Musik nicht ab, die mit Sinfonieorchester im Orchestergraben, Quartett und Sängerin auf der Bühne aufwändig inszeniert ist und in der Zusammenstellung verschiedener Kompositionen von Gluck die passende Klangkulisse zu Kinmonths Bühne ertönen lässt. Stellenweise etwas zu breit, aber insgesamt vielseitig lotet Florian Pestell die emotionale Vielfalt und Ambivalenz des Bühnengeschehens musikalisch gekonnt aus.
Ein Theaterabend, der visuell etwas bietet, durch einzelne Slapstick-Momente unterhält, eine aktuelle Interpretation in historischem Gewand präsentiert und so in seiner Gesamterscheinung überzeugt. Tänzerisch hätte man sich etwas mehr gewünscht.
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