Grenzen überschreiten

Ungarisches Tanzfestival im Dock 11 Berlin

Der zeitgenössische Tanz hat es schwer in Ungarn, sagt Ágota Harmati. Gefördert wird dort von einer konservativen Regierung eher die konservative, weniger aufmüpfige Kunst. Tänzer müssen zu Eigeninitiative greifen.

Berlin, 08/12/2014

Der zeitgenössische Tanz hat es schwer in Ungarn, sagt Ágota Harmati. Gefördert wird dort von einer konservativen Regierung eher die konservative, weniger aufmüpfige Kunst. Tänzer müssen zu Eigeninitiative greifen wie das Bakelit Multi Art Center in Budapest. Mit Unterstützung eines risikobereiten Unternehmers sanierte eine Handvoll Kreativer aus Eigenmitteln eine marode Weberei, in der einstmals kubanische Gastarbeiter beschäftigt waren. Bakelit MAC umfasst nun Hangar, Studiobühne, Proberaum, Ausstellungsräume, Tonstudio, Gastronomie und Hostel, zeigt um die 160 Theateraufführungen pro Saison und arbeitet inzwischen als wichtiger politikunabhängiger Impulsgeber gewinnbringend. Ungarns Freie Szene mit ihren renommierten Vertretern ebenso wie mit Nachwuchstalenten soll jetzt auch Berlin erobern. Dazu präsentieren Bakelit MAC als Veranstalter und Ágota Harmati als Managerin im Dock 11 an sieben Tagen insgesamt 12 Gruppen und Solisten in 15 Produktionen. Ihr Spektrum reicht von der Ich-Befragung bis zum poetischen Statement zu einer rechten Politik.

So untersucht Pál Frenák, einer der Barden in Ungarns Szene, mit seiner international besetzten Kompanie Anziehen, Suchen und Verlieren von Körpern. In ihrem Solo erkundet Anna Réti, ausgebildet in Rotterdam und Gewinnerin mehrerer Preise, die Diskrepanz zwischen unserer Vorstellung von uns und der realen Person, die wir sind. Ebenfalls im Solo ergründet Réka Szabó das Älterwerden aus den Augen eines Kindes. Ironisch und mit erwünschtem Zeitbezug klingt, was Ádám Fejes in seinen beiden Beiträgen behandelt: Das Frauentrio „Inside“ lässt in einer Schöpfungsgeschichte Urwerte wie Respekt auf heutige Besitzgier treffen; in einem vielleicht erfundenen Land, von dem jeder merkt, dass etwas nicht stimmt, spielt das Sextett „Schweinland“. Eine anrührende Begegung thematisiert ein Duo von Gyula Berger und Roos Van Berkel aus Holland. Mit diversen Formen von Ängsten, auch der, in Ungarn festzusitzen, befasst sich in einer Performance mit Video und Glasmurmeln Csilla Nagy. Den 1. Preis beim Wettbewerb junger Choreografen in Prag gewann Judith Szamosi für ihr humoriges Beziehungs-Psychogramm. Ob es funktioniert, wenn Márta Ladjánski einen sinnlich-sensiblen Mann auf eine Entdeckungsreise zu sich schickt, Zsófia Nemes nach dem Mysterium der männlichen Seele fahndet, kann man ebenso testen wie László Fülöps Ausflug ins Surreale. Der Wirkung des Raumes auf das menschliche Verhalten spüren drei Pantomimen nach, und Krisztián Gergyes produziert tanzend ein Werk der bildenden Kunst. Dass Choreografen in Stücken Anderer als Tänzer auftreten, spricht für die kreative Atmosphäre bei Bakelit MAC und ver-spricht anregende Tage im Dock 11.

15.-21.12., Dock 11, Kastanienallee 79, Berlin, Prenzlauer Berg
www.dock11-berlin.de

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