Duell oder Dialektik?
Die Staatsoperette Dresden zeigt „Die Sieben Todsünden“ und als Antwort „100 Leidenschaften“, eine Uraufführung von Steppmeister Sebastian Weber.
Als kleiner Junge schon, zu Hause, in Plzeň (Pilsen), hat Radek Stopka die Musik von Bedřich Smetana gehört und weiß bis heute, dass ihn besonders die Tänze aus seiner Oper „Die verkaufte Braut“ begeisterten. Das kam natürlich nicht von ungefähr, die Großmutter war Tänzerin am Theater der Stadt, der Großvater Schauspieler und der kleine Radek kam früh mit Musik, mit Tanz und Theater in Berührung. Bald nicht nur als Zuschauer, bald tanzt er gemeinsam mit seinem älteren Bruder im Kinderballett. Schnell ist ihm klar, dass er tanzen will, richtig, als Profi. Von der fünften Klasse an besucht er neun Jahre das Prager Konservatorium und erhält eine gründliche Ballettausbildung. Erste Bühnenerfahrungen sammelt er bald auf der Bühne des Nationaltheaters an der Moldau. Tänzer und Choreografen wie Jiří Kylián, Daria Klimentová oder die Zwillingsbrüder Jiří und Otto Bubeníček gehören zu den Absolventen des Prager Konservatoriums, das für seine Härte bekannt ist. Mit Radek Stopka beginnen 28 Studenten die Ausbildung, am Ende sind es vier Tänzerinnen und fünf Tänzer, Stopka ist einer von ihnen und wird in das Ballett des Nationaltheaters engagiert. Er bekommt erste Solopartien, bald folgen die der großen Klassiker.
Daneben bleibt aber das Interesse an den Tänzen mit Showelementen oder am Stepptanz ungebrochen, Jiří Korn etwa findet er toll, und bei unserem Gespräch in der Staatsoperette schwärmen wir ein wenig - den Song von der gesuchten „Yvetta“, den diese Musik- und Tanzlegende des Ostens auch im Westen berühmt machte, könnten wir sofort singen.
Im Rückblick aber ist der heutige Ballettdirektor der Staatsoperette Dresden froh über die komplexe Ausbildung in den klassischen Disziplinen des Tanzes. Wenn ein Fundament da ist, kann man aufbauen, ganz gleich in welche Richtung die Entwicklung gehen wird. So machte er es. Nach zwei klassischen Jahren am Nationaltheater geht er zum Prager Ensemble „Uno“, hier wird modern getanzt, hier werden die Hits der westlichen Musicals gespielt oder von Gästen aus den USA gesungen und die Tourneen gehen in den Westen.
Während seines Engagements beim Ballett des Theaters in Regensburg lernt Radek Stopka Winfried Schneider kennen, den späteren Ballettchef der Staatsoperette. Schneider holt ihn auch nach Dresden, Stopka kommt, denn die kurze Entfernung nach Prag ist ihm wichtig, und macht hier bald als Solist Karriere. Mandy Garbrecht und Radek Stopka werden das tanzende Traumpaar der Staatsoperette, Klasse und Pfiff zeichnen beide aus.
Inzwischen ist die aktive Tänzerkarriere vorbei, was nicht heißt, dass es nicht immer wieder mal auf die Bühne geht, sei es in ganz bestimmten Partien, die Erfahrung und besondere Ausstrahlung verlangen, oder um einzuspringen, denn das Pensum des Balletts am Operettenhaus ist hart. Neun Tänzerinnen und neun Tänzer, bis zu 20 Vorstellungen im Monat, Gastspiele, Proben, Umbesetzungen, da kommt für den Ballettdirektor zur künstlerischen Verantwortung auch manche organisatorische Herausforderung dazu. Aber, und das betont er mehrfach in unserem Gespräch, diese Kompanie ist unwahrscheinlich motiviert und er wundert sich mitunter, wie die Kolleginnen und Kollegen ein solches Pensum schaffen. Und wer ahnt schon am Abend im Publikum, welch harte Arbeit hinter knappen Auftritten steckt, die ja nicht selten zu den besonderen Eindrücken der Aufführungen gehören.
Umso erfreulicher ist es, wenn der Tanz, wie jetzt in der Inszenierung der Oper „Der verkaufte Braut“, eine ganz besondere Rolle spielt. Für Radek Stopka ist gerade dieses Werk, die tschechische Nationaloper, ohne Tanz, ohne Ballett, ja ohne Einflüsse der folkloristischen Traditionen seiner Heimat nicht denkbar. Man muss ja nur mal die Ouvertüre hören, die feurigen Chorszenen, die eigens nach der nicht so glücklichen Uraufführung 1866 in Prag nachkomponierten, dem Geiste der böhmischen Volkstümlichkeit angelehnten Ballettmusiken. Das geht ins Blut, das geht in die Beine.
Und daher will er als Choreograf auch nicht verleugnen, aus welchen Traditionen der Komponist schöpft. Folkloristische Motive werden in seinen Tänzen eine Rolle spielen, die er weiter entwickeln und abwandeln will, freilich alles in abgestimmter Korrespondenz zur Regie von Arne Böge, dem es dann obliegt, auch die tragikomischen Züge dieses Werkes aus dem Geiste des Singspiels und der Spieloper herauszuarbeiten. Und da geht es prächtig in der Zusammenarbeit. Keine Befürchtungen im Hinblick darauf, dass die Balancen nicht gewährt würden. Eine besondere Herausforderung für jeden Regisseur, für jeden Choreografen ist bei diesem Stück der dritte Akt mit dem Zirkus und dem Auftritt der Komödianten. Besonders hier ist die tänzerische Vielfalt der Kompanie gefragt. Und es ist keine Frage, da werden sie alles geben, die Tänzerinnen und Tänzer der Staatsoperette, um mit tänzerischer Bravour den musikalischen Vorgaben zu entsprechen.
Letztlich geht es ja auch in diesem Stück darum, gute Laune zu verbreiten, auch wenn man gute Mine zum nicht so ganz koscheren Spiel einer Verkuppelungs- und Verwechselungsgeschichte macht. Und da hat der Tanz seine Chance, die Tänzerinnen und Tänzer werden sie nutzen. Da ist sich der Choreograf sicher, die Truppe ist klasse und unverzichtbar, sowohl für dieses Theater als auch für den Facettenreichtum des Tanzlandes Sachsen.
Jetzt geht es in den Endspurt, unser Nachbarland feiert 2014 als Jahr der Tschechischen Musik, ein Gruß kommt aus Dresden, ein so herzlicher wie herzhafter, mit Musik und Tanz und der tschechischen Nationaloper „Die verkaufte Braut“.
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