Tango zwischen Teppich und Kampfarena
Regensburger Tanztage II: Die neue Tanzplattform ChoreoLab TanzSüd begeistert mit ihrer ersten Produktion
Tempo, Dynamik, Stopp und (E-)Motion. Die kanadische „605 Collective Dance Company“ hat bei den Tanztagen im Uni-Theater Regensburg einer Menge Menschen den Kopf verdreht. Manchen Besuchern war schwindelig von der enormen Beschleunigung, der sie über eine Stunde ausgesetzt waren. Andere waren von den tiefen Frequenzen und unerbittlich pochenden elektronischen Klängen körperlich durchgerüttelt. Und viele wussten erst einmal einfach nicht wohin mit ihrer Faszination, den wirbelnden Bildern und wilden Emotionen.
Die sechsköpfige Truppe aus Vancouver, der ganz im Südwesten dieses riesigen Landes liegenden Multikultistadt, gehört ohne Zweifel zu den Glanzlichtern der diesjährigen, bereits 18. Ausgabe des internationalen Tanzfestivals. In vier Abschnitten blätterte die Gruppe ihr innovatives „Inheritor Album“ auf. Beklemmende Raum- und Machtsituationen wurden sichtbar. Animalische Bewegungsmuster und wilde Emotionen brachen ebenso hervor wie rätselhafte Schwächeanfälle, kollektive motorische Rituale und rasend schnelle Abläufe. Dieser jede Sekunde neu aus unerbittlichem Wettbewerb, körperlichem Begreifen und unbedingtem Vertrauen entstehende Tanz riß so gut wie jeden Beobachter mit. Neben Formen und Abläufen, die an die musikalische Struktur gekoppelt waren, folgte er einer inneren Choreografie, die bis ins vormenschliche Erdzeitalter zurückzugehen schien.
Es war ein faszinierendes, berauschendes und erschütterndes Erlebnis, zu dem auch die moderne Licht- und Videotechnik sowie die Musik mit ihren grell bohrenden Klängen und durchdringend schweren Rhythmen beitrugen.
Von Anfang an zeigten die drei Tänzerinnen und Tänzer deutlich woher sie kommen und wo sie sich zugehörig fühlen. Ihr Auftritt in T-Shirts und Alltagsklamotten verweist auf eine junge kreative Szene, die Straßenkünste wie Breakdance und HipHop gleichermaßen in ihr künstlerisches Konzept verwebt wie modernes Tanztheater und klassische Elemente. Choreografien und eine eigene Tanzsprache werden gemeinsam im Kollektiv entwickelt. Dabei spielt auch die Improvisation eine wichtige Rolle. Erkennbar wird das am ständigen Augenkontakt und den blitzschnellen Reaktionen auf die Sprünge, Sprints und urplötzlichen Stopps der Anderen.
Manchmal schienen die Tänzer regelrecht zu fliegen, wurden mitten im Sprung aufgefangen. In einem anderen Abschnitt des Albums verbanden sie sich zu Gliederfüßlern, während ein unterirdisches Grollen körperlich fassbare Erdbewegungen suggerierte.
Querverbindungen zur Comic-Art, zur Sience-Fiction-Animation und zu östlichen Meditationstechniken ließen diesen Tanzabend zu einer Art Weltüberwucherung werden. Ordnung stellte sich eher zufällig ein, emotionales Mit- und Durcheinander und körperhaftes Erleben sind hier die eigentliche Essenz des Lebens. Hinreißend: Das Kollektiv mit Laura Avery, Justine Chambers, Lisa Gelley, Shay Kuebler, Josh Martin, David Raymond (Tanzende), Miwa Matreyek (Video-Animation) und Jason Dubois (Lichtdesign).
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