Mechanismen der Tanzverweigerung
„Scheme“ von Fran Díaz zum Auftakt der Reihe D-Dance in der Heidelberger Hebelhalle
Antony Rizzi zeigt sein neues Stück „Wisdom of no Escape“ in Heidelberg
Wir sind alle sterblich. Und weil wir das wissen, müssen wir vorher dem Leben das abtrotzen, was es zu holen gibt: Spaß und Tiefsinn, Party und Rausch und – wenigstens einmal – so etwas wie Glanz, Ruhm und Bedeutung. Auf der Suche danach wurde Antony Rizzi – ehemaliger Tänzer und Kreativkopf in William Forsythes Frankfurter Ensemble – bei Stummfilm und im Zirkus, bei Gauklern und Magiern fündig. In der ersten Hälfte seines neuen Stücks „Wisdom of no Escape“ sind die Gesichter seiner famosen achtköpfigen Truppe weiß geschminkt, Augen und Lippen dunkel. Rizzi selbst, in rotem Höschen über weißen Ballettstrumpfhosen, gibt den Clown, der so gerne Zirkusdirektor sein will. Die „Bad Habits“ posieren und gestikulieren, konkurrieren um Aufmerksamkeit, während ein nicht zu stoppender Redeschwall – mitzulesen auf der Leinwand im Hintergrund – immer wieder die Banalitätsfalle zuschnappen lässt. Partygeplauder zum Beispiel, Namedropping von Städten, und am Ende: „...Paris, Wuppertal“. Aber das ist eigentlich ganz egal denn „überall gibt es H&M“. Ach, Pina Bausch, hoffentlich hast du von deiner Wolke aus zugeschaut und dich darüber amüsiert, wie dein Kollege im Geiste an dich erinnert: mit der rhetorischen Raffinesse des Weglassens.
Im zweiten Teil darf das Publikum hinter den Kulissen, also jenseits der Leinwand, auf Papphockern mitten zwischen den Tänzern sitzen. Die machen jetzt Party, weitgehend in Dessous und nur hinter Masken versteckt. Die Livemusik am Klavier wechselt mit Hits vom Band, die Nähe zum Publikum schafft Berührungsanreize, man tanzt also ganz zwanglos mal gemeinsam, und ein Zigarettenpäuschen draußen gibt es auch noch. Aber bevor man sich zu leicht amüsiert, wird eine Tänzerin im Rollstuhl mit Schmackes in die Wand aus aufgetürmten Hockern geschubst, und die kleinen und großen Katastrophen des Lebens gehen natürlich weiter. Es gibt, wie der Titel des Stückes weiß, kein Entkommen. In seinem furiosen Solo „Drugs kept me alive“ (zu sehen im Vorjahr bei der Heidelberger TanzBiennale), hat Antony Rizzi dem Publikum diese Erkenntnis eindrucksvoll um Ohren und Augen gehauen. In „Wisdom of no Escape“ ist er der Weisheit mit souveräner Selbstironie auf der Spur – einschließlich einiger klassischer Ballettposen und eines rührenden Dialogs mit seiner Mutter. Das Publikum war sich einig: Antony Rizzi? Mehr davon, bitte!
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