Wir lassen's uns nicht nehmen
„Kunstraub“ von Mauro de Candia am Theater Osnabrück
Pick bloggt über die dritte Ausgabe der Tanzgala in Osnabrück
Zur Abwechslung schreib ich mal der Reihe nach, was ich in Osnabrück bei der 3. Ausgabe der Tanzgala gesehen habe. Ich schließe mich Patrizia Stöckemann und Mauro de Candia an, die das Ereignis als Beginn einer Tradition sehen und glaube, die Chancen stehen dafür nicht schlecht, denn die Intendanz hat nichts dagegen, wenn es für die Vorstellung wochenlang im freien Verkauf keine Karte mehr an der Kasse gibt. Fast ebenso wichtig ist den beiden der Dank an eine Reihe von Sponsoren, die, wenn ich richtig gehört habe, für weitere drei Jahre die Finanzen abgesichert haben. O-Ton Stöckemann: „Da kann man wesentlich ruhiger schlafen“.
Das Programm begann mit einer durchaus nicht erfolgsheischenden Choreografie des Chefchoreografen Mauro de Candia ohne Musik! Aber wie herrlich diese Begrüßung durch das gesamte Ensemble alle im dunklen frackartigen Anzug und so manieriert und dekadent kann das nur ein Italiener hinkriegen, was darin gipfelt, dass der letzte der auftretenden Tänzer im horizontalen Cambré den Kopf zum Publikum dreht und „Guten Abend!“ haucht.
Überhaupt zeigt de Candia an diesem Abend welche Bandbreite er drauf hat, aber ehe ich das wieder vorweg nehme, nun doch der Reihe nach: Der zweite Beitrag stammt von Christian Spuck, heute Ballettchef in Zürich. Das Stück „The Return of Ulysses“ ist sehr typisch für ihn zu dieser wunderbaren Purcell-Musik aus der Zeit, als er noch Resident Choreographer beim Stuttgarter Ballett war. Alles andere als manieriert, sondern erdig, fast hart. Die Moderatorin Patrizia Stöckemann, ihres Zeichens Dramaturgin, hat uns leider nicht verraten, um welche Szene es sich da handelt. Bei mir kam an: Penelope mit einem der aufdringlichen Bewerber, sehr ausdrucksstark getanzt von Solisten des Königlichen Balletts von Flandern, Sofia Menteguiaga und Alain Honarez.
Das nächste Duett „Hasta Duende“ hat Sharon Fridman choreografiert für zwei Damen des Conservatorio Danzande de Madrid, getanzt in schlabbernden Negligé-artigen Kostümen und ich vermute, dem Publikum hat genau das so sehr gefallen. Als nächstes stand von Mauro ein älteres Werk auf dem Programm, getanzt von Michaela Paolacci und Orazio di Bella, Solisten des Slowakischen Nationalballetts Bratislawa zu Musik von J. S. Bach.
„Aria Suspended“ wurde fast entschuldigend angekündigt als: „auf Spitze“. Da bin ich aber froh, dass man in Osnabrück noch nicht ganz vergessen hat, dass die Spitzentechnik kein bisschen weniger langweilig sein muss als Kontaktimprovisation, beides wurde im zweiten Teil nochmals unter Beweis gestellt. Und genau diese gerade genannte Spielart des zeitgenössischen Tanzes beendete den ersten Teil von Mitgliedern des Cullberg Baletten, Agnieszka Długoszewska und Daniel Sjökvist, in erster Linie aber mit Soli nebeneinander und weniger mit Kontakt.
Nach der Pause „UNITXT“ von Richard Siegal, getanzt von Stars des Bayerischen Staatsballetts, dem unbezahlbaren Tigran Mikayelyan, Zuzana Zharadnikova, Mia Rudic und Robin Strona. Im typischen Forsythe-Stil hatten die vier sichtlich Spaß, das Publikum mit ihrer Spitzentechnik zu verblüffen. Es folgte „Les Bougeois“ nach Jaques Brels unverwüstlichem Chansons mit ebensolcher Choreografie von Ben van Cauwenberg, das seit einem Dutzend Jahren in keiner Gala fehlen darf – getanzt vom Solisten Andras Ronai aus Orlando, Miami-USA. Es riss das Publikum – wie immer – zu Beifallsstürmen hin.
Danach ein Stück „Oratorio per Eva“ von Roberto Zappala, getanzt von der hochbegabten Solistin aus der Kompanie des Schöpfers, Maud de la Purification. Ich fürchte, sie heißt wirklich so und enthalte mich auch jeden Kommentars zur Choreografie. Dann der letzte Höhepunkt: Martin Schläpfer ließ es sich nicht nehmen, die Beleuchtung zu seinem Stück „Quartz“ selbst mit den hervorragenden Technikern und allen, die hinter der Bühne tätig sind, einzurichten. Die beiden Solisten des Balletts am Rhein haben dieses Juwel des Choreografen, das er „Quarz“ nennt, mit den beiden Marlucia do Amaral und Alexandre Simoes wieder einstudiert. Beide kenne ich, seit sie noch in der Schule bei Birgid Keil waren und staune immer wieder, was für eine Entwicklung sie gemacht haben.
Der Schluss dieser denkwürdigen Gala ging wieder an das Ensemble des Gastgebers Mauro de Candia mit „Branco“, einer Uraufführung so wie das Opening, diesmal aber mit Musik von Félix Lajkó und etwas fetzig, wie man es für einen Schluss braucht. Warum Mauro allerdings dauernd Gegenlicht dazu braucht, wird mir wohl ein Rätsel bleiben. Macht nichts, danke, der Abend war keine Gala sondern etwas Besseres!
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