Sie bittet zu Tisch
Ein Fotoblog von Dieter Hartwig zu Jule Flierls "Time out of Joint" an den Berliner Sophiensaelen
Sitzpodeste stehen im Halbkreis um eine gerundete, weiße Stoffleinwand, die den Blick auf die Bühne verdeckt. Nah sitzt die erste Reihe vor der Stoffwand, alles ist enger zusammengerückt, die Geräusche schon vor der Vorstellung gedämpft, eine gespannt-intime Atmosphäre liegt über dem Saal. Langsam wird ein erstes Objekt beleuchtet: Erhöht auf einer Kiste ist eine verformte Fläche zu erkennen, die wie ein aus dem Boden gerissenes Stück Parkett anmutet. Darauf steht schief die verkleinerte Ausgabe eines Stuhles, der an alte Klassenzimmer erinnert, das Beingestell metallartig, die Sitzflächen hölzern.
Die Performance beginnt langsam, lässt Zeit zum betrachten. Nachdem sich die Stoffleinwand, befestigt an einem riesigen Holzrad unter der Decke, zur Rückseite gedreht hat, werden weitere Objekte sichtbar – eine ganze Szenerie aus verbogenen Stühlen auf aufgeplatzten Parkettböden.
Aus den Formen eines erstarrten Mantels schält sich langsam die Performerin. Als bewohne sie diese Szenerie, bewegt sie sich auf dem Boden durch die Installation, nimmt einzelne Objekte mit winzigen Lichtquellen unter die Lupe, vergrößert und verzerrt sie im Schattenwurf auf der Leinwand.
Wie ein entschleunigter Mahlstrom wird das Rad an der Decke im Kreis bewegt. Es schiebt immer wieder den weißen Schleier vor die Performerin und ihre Objekte, so dass nur noch Schatten auf der Leinwand tanzen und gibt dann den Blick wieder frei auf die erstarrte Landschaft aus verbogenen Objekten.
Es ist eine faszinierende Welt, an der Grenze zwischen Objekt und Gestaltlosigkeit, die Naoko Tanaka in ihrer Performance eröffnet; faszinierend auch die verschiedenen Konstruktionen innerhalb der Bühneninstallation, die ein Spiel mit den Objekten ermöglichen, wie in einem surrealistisch verzerrten Puppenhaus.
Eine Stunde kann das Publikum die Installation in der Performance ausgiebig betrachten. Doch auch nachdem die Künstlerin den Raum längst verlassen hat, stehen noch immer Zuschauer um die einzelnen Objekte, laufen durch jene verlassene Landschaft aus verkrümmten Stühlen. Es haftet etwas Rätselhaftes an diesen in der Verformung erstarrten Plastiken. Als bewahrten sie ein Geheimnis, das nur in der Performance zum Leben erwacht.
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