„Nordic Light“ des Norwegian National Ballet in Baden-Baden

„Nordic Light“ des Norwegian National Ballet in Baden-Baden

Nordische Eleganz

Zu Gast im Festspielhaus Baden-Baden: Das Norwegian National Ballet

Nach dem in Bann ziehenden „Lamentate“ Strømgrens und der als Provokation wahrnehmbaren Reise durch das Ballett mit Daniel Proiettos „Cygne“ und Ekmans „Resin“, endet der Abend mit „Vespertine“ von Liam Scarlett versöhnlich.

Baden-Baden, 22/02/2015

14 Jahre war das Norwegian National Ballet nicht außerhalb Skandinaviens zu sehen. Nach Gastspielen in St. Petersburg (2013) und Paris (2014) gab man nun auch Baden-Baden die Ehre. Gut gefüllt waren die 2500 Plätze des Festspielhauses, als mit „Nordic Light“ ein Ballettabend präsentiert wurde, der eine vielseitige, elegante und technisch hervorragende Kompanie vorstellte. Tanzen die 60 Tänzer in ihrer Heimat Oslo durchaus einen Querschnitt durch das übliche Programm einer großen Ballettkompanie von „Dornröschen“ über Balanchine und Kylián bis hin zu zeitgenössischen Choreografien, betonte dieser Abend die nordische Herkunft. Wer nun vielleicht Musik von Edvard Grieg oder Troll-Sagen erwartete, wurde enttäuscht. Thematisch standen alle vier Stücke des Abends in einer gesamteuropäischen Tradition, aber choreografisch und tänzerisch sah man eine zurückhaltende Eleganz, eine innere Ruhe und einen bissigen Humor, was man sonst nur aus skandinavischer Literatur oder Filmen kennt.

Die Uraufführung „Lamentate“ von Jo Strømgren eröffnet den Abend. Noch während sich das Publikum leise unterhält und im Programmheft geblättert wird, öffnet sich der Vorhang. Ein Tableau aus neun Tänzern in schlichten blauen Kostümen ist zu sehen. In Zweier- und Dreiergruppen stehen und sitzen sie. Bis auf ein paar Stühle ist die Bühne leer. Die ersten Töne von Arvo Pärts „Lamentate“ für Klavier und Orchester erklingen und aus dem Bild lösen sich eine Frau (Camilla Spidsøe) und ein Mann (Yoshifumi Inao) in brauner Kleidung. In liebevollen und manchmal auch humorvollen Pas de deux trifft sich das Paar und scheint auf der Suche nach seiner individuellen Identität. Durchbrochen werden diese Szenen der Zweisamkeit immer wieder von den anderen Tänzern, die als Gruppe auftreten und in oft synchronen Bewegungen den Verlust des Paares zu beklagen scheinen. Fügt sich der Mann vereinzelt wieder in die Gruppe ein, bleibt die Frau außen vor. Mit wenigen, aber sehr konzentrierten Bewegungen, die deutliche Elemente des Modern Dance enthalten und meist vom Körper aus in den Raum gehen, scheint Strømgren die Geschichte von Individuum und Kollektiv zu erzählen. Beeindruckend musikalisch und ausdrucksstark ist dieses Werk. In dem tableauhaften Beginn schwingt ein Funken Historie mit, thematisch bleibt es aktuell und zugleich zeitlos. Schnell zieht einen dieses Stück in seinen Bann und man blickt sich fast verwundert um, wenn nach etwa 35 Minuten die Musik verstummt und die Tänzer in ihr Standbild zurückkehren. Man kann nicht verstehen, wie die Zeit vergangen ist. Und was zwischen diesen beiden Standbildern geschehen ist, bleibt in schemenhafter Erinnerung zurück.

Nach diesem minimalistisch angehauchten Werk trifft einen die übergroße Projektion eines weiblichen Gesichts auf dem roten Vorhang unvorbereitet. In „Cygne“ (2013) verhandelt Daniel Proietto den Mythos des „Sterbenden Schwan“ von Anna Pawlowa in einer bildgewaltigen Collage. Mythos und Dekonstruktion, Geschichte und Gegenwart vermischen sich in den surrealistisch angehauchten Bildwelten. Lehnt sich der Schwan (Samantha Lynch) hier mit aller Kraft gegen das Sterben auf, so scheint der Mythos der Ballerina gebrochen zu sein. Oder doch nicht? – fragt man sich schon wenige Minuten später, wenn Lynch eine Verbeugung präsentiert, die nicht divenhafter sein könnte.

Auch „Resin“ (2013) von Alexander Ekman setzt sich mit der Ballettgeschichte auseinander. Bissig humoristisch nimmt er Training, Synchronität und Pantomime aufs Korn. Und wenn dann eine flapsig erzählte Kurzform von Schwanensee in einen Disko-Lachs-Tanz übergeht, scheint alles absurd. Und doch ist dieses Stück hoch durchdacht. Jede Pointe sitzt und man erkennt schnell, dass Ekman mit seinem Thema bis ins Detail vertraut ist.

Nach dieser durchaus als Provokation wahrnehmbaren Reise durch das Ballett, endet der Abend mit „Vespertine“ (2013) von Liam Scarlett versöhnlich. Zu unterschiedlicher Barockmusik kreiert er in etwas verschwommenem Licht wunderbar musikalische Begegnungen und schöne Bilder in weichen Farben. Scarlett knüpft unverkennbar und sehr gekonnt an das neue klassische Ballett mit Vertretern wie Kenneth McMillan und Jiří Kylián an. Ein entspannter und schöner Ausklang eines abwechslungsreichen Tanzabends.

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