„Doggy Style“ von Joshua Monten

„Doggy Style“ von Joshua Monten

Tanzen mit Handicap?!

Bremen „eigenARTig“ - ein Festival für inklusive Tanzkunst

Pick bloggt zum Festival für inklusive Tanzkunst und wird mit Richard Srauß, einem langen Warten und Hunden konfrontiert.

Bremen, 11/11/2015

Die zeitgenössische Tanzszene hat sich seit 1968, als der Intendant Kurt Hübner Hans Kresnik nach Bremen holte, kontinuierlich weiterentwickelt, wenn auch in den letzten Jahren weniger im Theater am Goetheplatz. Seit 15 Jahren entwickelte sich in der Schwankhalle, die von den beiden Österreichern Helge Letonja mit der Gruppe „Steptext“ und Günther Grollitsch mit „tanzbar“ geführt wird, ein überregional, ja international bekannter Ort für außergewöhnliche Produktionen.

Seit einigen Jahren existiert dort auch das von G. Grollitsch organisierte und mit dem Titel „eigenARTig“ versehene Festival für inklusive Tanzkunst. Ich denke dieses Ereignis ist auch der Grund warum soeben G. Grollitsch den „Bürgerpreis“ für kulturelle Ereignisse im Land Bremen zugesprochen bekam. Ein schönes Lob für einen so bescheidenen Choreografen, der durch Zurückhaltung Aufsehen erregt.

Das diesjährige Festival begann mit dem Gastspiel einer Gruppe aus der Schweiz, ansässig in der Hauptstadt Bern. Deren Leiter und Choreograf, der Amerikaner Joshua Monten, stellte sein Stück „Doggy Style“ vor, das durch den Auftritt im Schauspielhaus am Goetheplatz, umrahmt von den Reden der Offiziellen, geadelt wurde. Vier außerordentlich intensive Tänzer, die auch technisch keine Wünsche offenlassen: Derrick Amanatidis, Karolina Kraczkowska, Ariadna Monfort und Jack Wignall kommen, wie die Namen verraten, aus allen Ecken Europas. Dieses Stück, wie das gesamte Festival, kreist um das Leben von Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und körperlichen Defiziten. In diesem Fall agieren die Tänzer an der Schnittstelle von Gebärdensprache und Tanz, ohne uns vergessen zu machen wie gut sie vor allem tanzen. Der Choreograf überzeugt neben recht witzigen Einfällen auch mit seiner Musikalität. Seine Beobachtungsgabe hat er wohl bei unserem treuesten Freund, dem Hund, geschult. Das kam bei den Zuschauern gut an und riss das recht junge Publikum zu Trampeln und Pfeifen hin.

Der nächste Abend war eine Eigenproduktion mit dem Titel „Voy“, die von Birgit Freitag und Adriana Könemann choreografisch betreut wurde. Ich entnehme dem Flyer: „Voy, spanisch – ich komme, ist ein im Blindenfußball zentrales Wort. Es gilt international als Warnung des angreifenden Spielers.“ Nun, das mag ja sein, allerdings hat sich mir alles Mögliche, aber nicht das erschlossen. So sehr ich die Arbeit in ihrer Komplexität und die Freude der Akteure zu schätzen weiß, während der Aufführung habe ich mich mehrmals gefragt, wieso ich sonst nicht auch in Vorstellungen von Hobbyschauspielern gehe? Aber natürlich sind Familien und Freunde der Mitwirkenden stolz. Und das ist auch gut so.

Der dritte Abend begann mit einem Stück, das auch im Nachmittagsprogramm von RTL ein kreischendes TV-Publikum gefunden hätte: „Gemeinsam Gemein Sein“. Ich enthalte mich weiterer Kommentare. Im zweiten Stück tritt Doris Geist, die, soweit ich weiß, hörgeschädigt ist, gemeinsam mit dem sensiblen Tänzer Tomas Bünger auf, der noch bei Urs Dietrich am Bremer Theater getanzt hat. Dieser eindrucksvollen Frau gelingt es, sich neben dem Profi zu behaupten und wenn ich mich nicht sehr täusche, kann sie die gewaltige Musik zu einem der „Vier letzte Lieder“ von Richard Strauß irgendwie empfinden. Ich konnte mich jedenfalls nicht entziehen.

Den Schluss dieses Abends bestritt der Veranstalter selbst und es war mir ein Vergnügen dieses Stück zu sehen, das von den Charakteren Don Quichote und Sancho Pansa ausgehen könnte, auch wenn es anscheinend von Samuel Beckett beeinflusst ist. Aber da gibt es ja auch gewisse absurde Gemeinsamkeiten. Natürlich hängt der kugelige Oskar Spatz von dem langen G. Grollitsch ab. Er, genau wie Doris Geist mit Handicap, genießt es, dass er die Lacher auf seiner Seite hat. Auf wen die beiden warten bleibt ein Geheimnis, es könnte auch Godot sein. Und da es so kurzweilig und unprätentiös ist, hätte es ruhig länger dauern können, ehe das Publikum außer Rand und Band geriet. Ich habe nur einen Teil des Festivals gesehen, es folgte noch ein Gastspiel und eine weitere Eigenproduktion, neben etlichen Workshops und Diskussionen am Runden Tisch.

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