„The Tramp“ von Sven Grützmacher

„The Tramp“ von Sven Grützmacher

Trier vor einer absoluten Wende und dem Abschied von Sven Grützmacher

Pick bloggt über "Der Tramp" von Sven Grützmacher

Nach 10 Jahren als Ballettchef in Trier verabschiedet sich Sven Grützmacher mit dem Stück „Der Tramp“, das ein wenig wie das Leben des Choreografen anmutet, der – voller poetischer und sentimentaler Situationen – durchs Leben schlittert.

Trier, 10/06/2015

Erstmalig bin ich Sven in Saarbrücken begegnet, wo er als Tänzer trotz seiner geringen Körpergröße sowohl auf der Bühne als auch in natura durch seine ungewöhnliche Präsenz einprägend war. Endlich habe ich aufgrund seines Abschieds den Weg nach Trier gefunden. Dieser wurde durch einen Intendantenwechsel – der ja häufig mit der Etablierung eines neuen Konzepts für das Haus und manchmal sogar der generellen Neuerfindung des Theaters einhergeht – ausgelöst. Sven ist einer, der etwas zu erzählen hat und ist sowohl auf der Bühne sowie wie im täglichen Leben ziemlich gerade heraus – wie die Berliner so sind.

Sich mit Chaplin zu beschäftigen ist sicher eine spannende Aufgabe, denn dieser Superstar aus dem England des vorigen Jahrhunderts war ein Komödiant allererster Klasse und wurde doch ein Opfer der Jagd auf Kommunisten im ach-so-kapitalistischen Amerika, was ihn Hollywood, das er quasi mitgegründet hatte, den Rücken kehren und mit Frau und Kindern an den Genfer See ziehen ließ. Ob so ein Stück gelingen kann, habe ich mich gefragt, als ich in dieser friedlichen Stadt an der Grenze zu Luxemburg einen Parkplatz gefunden hatte. Ja, es kann, wenn man wie Grützmacher gelernt hat, mit den begrenzten Mitteln das Beste heraus zu holen. Seinen Bühnenbildnern Gerd Hoffmann und Arlette Schwanenberg sind überdies gute Bildlösungen eingefallen.

So hat mir besonders gefallen wie die heile Wohnküchenwelt aus dem nichts entsteht und der Tramp dann – von ungläubigen Blicken verfolgt – aus dem Alltagsmief eine scheinbar endlose Leiter in Richtung Schnürboden emporsteigt. Große Bedenken hatte ich jedoch, als ich das Programmheft aufschlug und las, dass der Tramp mit einer Frau besetzt wurde. Dies stellte sich jedoch als ein Glücksfall heraus, denn die Titelfigur – getanzt und gemimt von Juliane Hlawati, die wie Sven an der Staatlichen Ballettschule Berlin ihre Ausbildung erhielt, aber schon beachtliche Erfahrungswerte mitbrachte, als sie nach Trier kam – ist eine ungewöhnliche Erscheinung. Die Rolle des Tramps hat Grützmacher ihr jedenfalls auf den Leib choreografiert und sie vermag tatsächlich sowohl Mitleid zu erregen als auch im nächsten Moment Gelächter zu erzeugen!

Das meiner Meinung nach schwächste Bild der Inszenierung ist die Szene der malochenden Arbeiter. Es scheint, Sven hätte sich an seine DDR-Jugend und die damaligen Schilderungen über die arbeitende Bevölkerung im kapitalistischen Ausland erinnert. Deutlich werden allerdings auch Einflüsse des Bühnenbilds und der Stummfilme über das geknechtete Proletariat; Motive die man auch aus Fritz Langs Metropolis kennt. Diese Dämonie der gehassten Maschinen erreichen die Macher und Tänzer leider nicht. Alles in allem trotzdem ein erfreulicher Abend mit guter Musik aus den 20er und 30er Jahren und einem spielfreudigen Ensemble für ein mit Recht dankbares Publikum, das zwar sparsam mit Szenenapplaus war, sich aber am Ende umso spendabler zeigte.

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