letzter Teil: FEEDBACK [2ND EDITION] AM TANZQUARTIER WIEN
Festivalblog von Anna Wieczorek
Bereits zum dritten Mal organisierte das Tanzquartier Wien das Format „Feedback“, heuer von 22. bis 25. April an unterschiedlichen Spielorten. „Feedback“ – so der Anspruch von Intendant Walter Heun – will nicht bloß die subjektiv besten Arbeiten der vergangenen Spielzeiten in geballter Form präsentieren, sondern zum Austausch darüber bzw. darüber hinaus anregen. Lokales Publikum konnte den einen oder anderen Besuch nachholen. Internationale Gäste durchliefen in den zwölf Produktionen an vier Abenden einen Crash-Kurs über das aktuelle Tanzschaffen in der Donaumetropole und konnten erste Einladungen anbahnen. Denn „Feedback 3rd Editon“ war geschickt an das Treffen des European Dancehouse Network und die Konferenz „Imaginary Relationships“ gekoppelt, wodurch sich jede Menge Leitungspersonal im Tanzquartier Wien tummelte.
Wer durch „Feedback“ etwas über den österreichischen zeitgenössischen Tanz zu erfahren hoffte, war jedoch an der falschen Adresse. Zwar leben und arbeiten alle vertretenen Tanzschaffenden überwiegend in Wien. Ihr kultureller Hintergrund und ihre Staatsangehörigkeit sind jedoch international. Folgerichtig zeichnete sich „Feedback“ durch eine erfrischende inhaltliche wie choreografische Bandbreite aus, die sich – und auch das ist kein spezifisch österreichisches sondern ein globales Phänomen – infolge von Wirtschaftskrise und Verarmung intensiver gesellschaftsrelevanten Fragen widmet als noch vor zehn Jahren. Die Definitionsdebatten der 1990er und Nullerjahre beispielsweise über die Inkorporierung von Bewegungslosigkeit und Sprache in zeitgenössische Tanzformate sind einem entspannten Diskurs über die passende Wahl der Mittel zur künstlerischen Durchformung brisanter Themen gewichen.
Im Rahmen von „Feedback“ zeigte sich, dass die vertretenen Kunstschaffenden wie Milli Bitterli, Alex Deutinger, Philipp Gehmacher, Alexander Gottfarb, Ian Kaler, Anna Mendelssohn, Doris Uhlich, Paul Wenninger oder Chris Haring zu Recht überregionale Aufmerksamkeit genießen. Innerhalb dieser Arbeiten funktionieren jene Produktionen besonders gut – a propos Wahl der Mittel –, welche Dichotomien umschiffen und stattdessen den Gegenstand geschickt in Schwebe halten bzw. kontinuierlich unterlaufen. So widerlegen beispielsweise die Polin Agata Maszkiewicz und die Französin Alix Eynaudi in „Duel“ augenzwinkernd weibliche Passivitätszuschreibungen mit Hilfe eines Wettkampfs im Fechten, ohne Frauen per se zum besseren Geschlecht zu erklären. Vielmehr spiegelt das konkurrierende Spiel der beiden exzellenten Tänzerinnen ein vibrierendes Spektrum an weiblichen Persönlichkeitsmerkmalen wider, darunter durchaus auch Klischees wie jenes des „Zickenkriegs“. Maszkiewicz und Eynaudi respektieren und demontieren die Klischees gleichermaßen, indem sie ihnen das Wahrheit verheißende Alleinstellungsmerkmal entziehen. Nichts symbolisiert Maszkiewicz’s spektrale Inszenierungsstrategie besser als ihre in transparenten Plastikschalen verpackten Brüste. Scham, Schönheit, Verletzlichkeit und Voyeurismus schienen gleichzeitig durch das Plexiglas zu schimmern.
Ähnlich stringent, diesmal jedoch in abstrakter Formensprache vermittelt sich „Contingencies“ von Ian Kaler. Kaler setzt drei Körper in immer neuen Variationen miteinander, mit dem Raum, der Architektur, Licht, Ton und dem anwesenden Publikum in Beziehung. Aufgrund der starken Präsenz des Trios bleiben die skizzierten Bewegungen ohne Narration und dramatischen Handlungsbogen durchgehend spannend. Im Wahrnehmen der Choreografie entfaltet sich so eine beeindruckende Gegenwärtigkeit, ein undogmatisches, non-spirituelles Sein.
Im Gegensatz zu „Duel“ und „Contingencies“ flirren in „War“ die Bedeutungsebenen erst in der Coda des Stücks, einem gefakten Künstlergespräch. Zuvor bedienen die Chilenin Amanda Piña und der Schweizer Daniel Zimmermann in dieser tanzhistorisch interessanten Arbeit eine vergleichsweise einsilbige Aneinanderreihung polynesischer Hoko-Kriegstänze aus den pazifischen Osterinseln. Die verbalen Einführungen vor jedem Tanz verströmen trotz bester Absicht einen postkolonialistisch-aufgeklärten, pädagogischen Charakter. Erst als der indigene Tänzer Pascual Pakarati in erwähntem Künstlergespräch den Hoko als weder authentisch noch ungebrochen tradiert erklärt, sondern als für touristische Zwecke neocodiert, hebelt er übliche volkskulturelle Einschätzungen aus.
Das Zusammentreffen von drei unterschiedlichen Sprachen in diesem Talk hat inzwischen Seltenheitswert. Insofern kann die Tatsache, dass man Pascual Pakarati auf Französisch befragt, er auf Rapanui antwortet und seine Antworten ins Englische übersetzt werden, bereits als politisches Statement gelesen werden. Denn auf der Bühne wurde bei „Feedback“ – wieder so eine globale Erscheinung – zu 90 Prozent in Englisch gesprochen. Sind nicht Missverständnisse vorprogrammiert, wenn sich deutschsprachige Tanzschaffende mit deutschsprachigem Publikum auf Englisch austauschen? Oder wirkt sich just jener markttaugliche, nationale Grenzen sprengende Sprachtransfer produktiv auf die Rezeption aus? Fragen, die nach weiteren Feedbackschleifen rufen.
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