Wie kommt die Botschaft an?
Das Festival „Feedback“ lud zur Rückkopplung ein
In der ersten Runde mit Christine Gaigg und Erich Klein, sowie den beiden Performer von „Your Majestics“ Alexander Deutinger und Marta Navaridas im Gespräch mit Arne Forke und Bush Hartshorn. Die Gesprächsrunde dreht sich um den Themenkomplex der „politischen Geste“, ein Thema, das bei beiden Performances viel Gesprächsstoff bietet. Christine Gaigg erklärt wie sie im Youtube-Video der Pussy-Riot-Aktion die einzelnen Bewegungen und Gesten detailliert untersucht hat, um daraufhin Parallelen zum Bewegungsmaterial von Nijinskis „Sacre“ zu finden. Gemeinsam mit ihrem Berater Erich Klein habe sie versucht, den komplizierten Kontext, in dem das Ereignis in Russland stand, für den westlichen Blick verständlich zu machen. Während Gaigg erzählt, sie sei mittlerweile nicht mehr interessiert an abstrakten Tanzformen, sondern an politischer Gegenwart und Ereignissen, die über Bewegung und Text transportiert werden, frage ich mich, ob es vielleicht dieses Interesse am Dokumentarischen ist, das die Tendenz von sprachlichen Elementen in jüngeren Produktionen des zeitgenössischen Tanzes ausmacht.
Marta Navaridas interessiert die „Geste“ mehr in Bezug auf ihre Relation zwischen der „Geste als Bewegung“ und ihrer sozialen und politischen Funktion. Also die Frage, inwiefern eine Geste immer nur im Dialog mit einem bestimmten Kontext verstanden wird, und was passiert, wenn dieser Kontext sich verändert oder variiert wird. Eine interessante Frage, wie ich finde, auch in Bezug auf die grundsätzliche Frage wie Referenzsysteme im Tanz funktionieren.
Obwohl die Besetzung der zweiten Runde „Excursus“ deutlich kleiner ist, nämlich „nur“ Claudia Bosse im Gespräch mit Marietta Piekenbrock, gibt es doch nicht weniger zu reden. Nachdem die Dramaturgin der Ruhrtriennale mit der sympathischen Ansage „I’ve realized the language of the world is not English but broken English“ das Gespräch eröffnet, finden Claudia Bosse und sie, wenn auch nicht immer in fehlerfreiem Englisch, doch auf vielen Ebenen zueinander. Es geht zwar weniger um das im Festivalkontext stattgefundene Projekt „Designed Desires“, sondern mehr um das bisherige Gesamtwerk der Regisseurin Bosse, was aber durch die vielseitige Vielzahl ihrer Arbeiten mindestens ebenso interessant ist.
Abends folgt dann wieder eine Uraufführung: „On Orientations“ ist von der Choreografin und Performerin An Kaler als eine Serie von verschiedenen Bewegungs- und Raumstudien angelegt. Die erste Edition „One place after another“ erklärt den liegenden Körper zum Ausgangspunkt der Studie und erkundet Prozesshaftigkeit sowohl in Bezug auf den Körper in seiner noch nicht aufgerichteten Position wie auch als performativen Dialog von Körper, Raum und Performerin, die sich in jeder Aufführung neu formieren. Untermalt durch starke Bass-Töne erschließen sich An Kalers Bewegungen in einer rauschhaften Performance, die den Zuschauer durch das hohe Rezeptionsniveau zum genauen Hinschauen fordert und fördert.
Im Anschluss, quasi als Gegenprogramm, folgt eine unterhaltsame Show von „THE LOOSE COLLECTIVE“. Die sperrigen Texte des Alten Testamentes fasst die österreichisch-internationale Gruppe von TänzerInnen, ChoreografInnen und Musikerinnen in handlichen Musikstücken zusammen. Der musikalische Mix reicht von barocken Chorsätzen über Beat-Boxing bis zu Diaspora-Post-Punk und wird körperlich durch Versatzstücke verschiedener zeitgenössischer Tanztechniken gespeist, die die gutgelaunte Truppe mit viel Enthusiasmus und Spielfreude dem Publikum präsentiert.
Ein guter Übergang für die letzte Veranstaltung des heutigen Abends: ein Party-Format der Nachwuchskünstler Sebastijan Geč, Otto Krause und Milan Loviŝka. Jeder Zuschauer bekommt beim Einlass eine Nummer zugeordnet und muss sich den passenden Stuhl dazu selbst aussuchen. Darauf liegt ein kleines Geschenk, denn man befindet sich, wie die dort ansässige pinke Fee mit Zauberstab, roten Oz-Schuhen und Vollbart verkündet, in einer „Magic World“. In dieser magischen Welt kann man seine Geschenke (Glitzerstaub, Taschenlampe oder Schutzmaske) verwenden, wenn man glaubt, dass sie angebracht sind. Das ist zum Beispiel, wenn der/die Fee die überdimensionale Windmaschine startet und mit Waldduft-Raumerfrischer-Spray die Luft „erfrischt“. Aber es gibt auch Regeln in der „Magic World“ und eine davon ist, dass alle tanzen können und sollen. Nach einigen Startschwierigkeiten steigt das Publikum dann auch gesammelt in das initiierte Reise-Nach-Jerusalem-Tanzspiel ein - eine Aufforderung, bei der anschließenden Abschlussparty ebenfalls das Tanzbein zu schwingen. Auch wenn das nicht bei allen funktioniert, ist doch die Grundlage für eine entspannte Partyatmosphäre gegeben, in der sich Festivalmacher wie Teilnehmer noch einmal austauschen und Kontakte knüpfen können.
Gespräche mit einigen Künstlern zeigen mir, dass das FEEDBACK-Format, zumindest teilweise, seine Wirkung entfaltet, denn einige Anregungen des Exkursus-Gespräches wirken noch immer nach. Damit scheint schon viel erreicht. Außerdem, so kann ich abschließend und nach drei Tagen Vollzeit-Programm zusammenfassen, bietet das Festival einen guten Einblick in die österreichische Tanzszene, bei dem auch Platz für Experimente bleibt, die immer ein Risiko aber auch ein Glücksfall sein können.
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