TEIL 3: FEEDBACK [2ND EDITION] AM TANZQUARTIER WIEN
Festivalblog von Anna Wieczorek
„HAUNTED LANDSCAPES or the breathing out of earth” von Claudia Bosse als Erstaufführung im Tanzquartier Wien
Unzählige Facebook-Gruppen widmen sich dem (verbotenen) Dokumentieren von sogenannten Lost Places. Da sieht man zum Beispiel Fotos von verlassenen Häusern, Hotels, Einkaufszentren oder Krankenhäusern. Wäre nicht die dicke Staubschicht, so könnte man manches Mal meinen, dass die Gebäude gerade erst verlassen worden sind. Auch verlassene Steinbrüche oder Bergbauwerke werden so für die Ewigkeit festgehalten. Claudia Bosse erinnert in „HAUNTED LANDSCAPES or the breathing out of earth” an Landschaften, die teilweise sehr malträtiert oder von Naturkatastrophen heimgesucht worden sind. Schon seit mehreren Jahren bespielt sie unterschiedliche öffentliche (Un-)Orte wie zum Beispiel brach liegende Wiesen in der Seestadt Aspern am Stadtrand Wiens oder eine Brache mitten in der Stadt gleich hinter dem Wiener Hauptbahnhof.
Nun ist sie vom öffentlichen Raum in den geschützten der Halle G im Wiener Museumsquartier gewechselt. Das Publikum ist eingeladen, den Bühnenraum zu erkunden. Wer Glück hat, bekommt einen kleinen Sandsack, die anderen setzen sich einfach auf den Boden. Die Körper der sechs Performer*innen und der Zuschauer*innen ergeben so ein sich ständig veränderndes Bild, auch wenn das Publikum ziemlich statisch bleibt. Videoaufnahmen von verlassenen Landschaften aber auch von Abbaustätten, auf denen Bagger und Lastwagen fahren, sind zu sehen. Sowohl die Projektionen als auch der Bühnenraum wirken großteils dystopisch. Verstärkt wird diese Wahrnehmung durch die düstere Lichtregie von Paul Grilj und den dunklen Sound von Günther Auer. Zwischendurch wird der Atem der Tänzer*innen hörbar, und man bekommt das Gefühl, dass die gequälte Erde nach Luft ringt.
Was die Menschheit der Erde antut
Mahnend erinnert Claudia Bosse in diversen gesprochenen Sequenzen, die leider teilweise schwer verständlich sind, weil das Mikrofon übersteuert ist, an das, was die Menschheit der Erde antut. Doch die Erde rächt sich – grenzgenial dargestellt, wenn die Tänzer*innen unter den Tanzteppich kriechen und so sich der ganze Boden zu bewegen scheint. Die Zuschauer*innen müssen auf diese Bodenverwerfungen reagieren, manche scheinen nicht genau zu wissen, wie. Aussitzen oder Weggehen? Die etwas zu lang geratene zweistündige Performance wirft viele Fragen über unseren Umgang mit der Natur auf, sticht in offene Wunden und zeigt, dass es Veränderungen geben muss. Dabei will Bosse aber nicht das Publikum belehren, sondern präsentiert und kommentiert viel mehr den Zustand unserer Umwelt.
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