Daniela Schadt und Bundespräsident Joachim Gauck mit Tänzern des Bayerischen Staatsballetts
Daniela Schadt und Bundespräsident Joachim Gauck mit Tänzern des Bayerischen Staatsballetts

„Deutschland tanzt - eine Soiree zur Würdigung des Tanzes“

Das Tanzjahr Deutschland ist jetzt offiziell eröffnet

Eine Pressekonferenz im Bundespresseamt in Berlin und eine Tanzgala im Schloss Bellevue bei Joachim Gauck

Berlin, 22/02/2016

Wie jedes Jahr, so hat auch das Tanzjahr Deutschland am 1. Januar begonnen. Jetzt wurde es offiziell eröffnet, am Freitag, den 19. Februar, lud sogar Bundespräsident Joachim Gauck ins Berliner Schloss Bellevue zu einem Abend unter dem Motto „Deutschland tanzt - eine Soiree zur Würdigung des Tanzes“ mit anschließendem Empfang in den Räumen des einstigen prinzlichen Lustschlosses und königlichen Landsitzes mit wechselvoller Geschichte, 1994 durch Richard von Weizsäcker zum ersten Amtssitz des Bundespräsidenten erhoben. Die Moderatorin der Soiree, Christiane Theobald, erhob es im Verlauf des Abends dann gar zum „Tanzhaus Berlin“.

Vor dem festlichen Abend gab auf Einladung des Dachverbandes Tanz mittags, an ebenso prominentem Ort, im Haus der Bundespressekonferenz, die Pressekonferenz zum Auftakt des Tanzjahres, moderiert von Michael Freundt in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Dachverbandes. Es mag ein günstiger Zufall sein, dass im Tanzjahr 2016 Ereignisse von nationaler und internationaler Bedeutung stattfinden, die wesentliche Impulse für den Tanz in Deutschland setzen.

So wird zunächst die Tanzplattform Deutschland, vom 2. bis zum 6. März in Frankfurt und nahen Orten der Regionsein. Für Matthias Pees, Intendant des Künstlerhauses Mousonturm, wo vor 20 Jahren die erste Tanzplattform stattfand, gibt es beim „Theatertreffen des Tanzes“ „die fünf heißesten deutschen Tanztage des Jahres“. Es gehe darum, so Pees, eine Abfolge von Highlights zu präsentieren, „zwölf impulsgebende Arbeiten, aber nicht unbedingt die Besten“.

Eine dieser impulsgebenden Arbeiten hat mit „Aerobics!“ Paula Rosolen geschaffen, sie gibt Einblicke in den Arbeitsprozess und präsentiert mit der von ihr gegründeten Kompanie HAPTIC HIDE am Abend einen Ausschnitt ihres 2014 mit dem ersten Preis beim internationalen Wettbewerb „Danse Élargie“ in Paris ausgezeichneten Balletts in drei Akten.

Die Tanzplattform Deutschland solle sowohl mit den eingeladenen Produktionen als auch mit einem entsprechenden Rahmenprogramm eine „Erweiterung der Wahrnehmung“ bewirken, aber sich auch mit den oftmals, gerade was weitere Gastspiele von Produktionen angeht, problematischen Förderkriterien in Deutschland beschäftigen.

Um einen weltweiten Überblick zum zeitgenössischen Tanz wird es, wie Felix Wittek als Programm- und Teamdirektor der internationalen tanzmesse nrw vom 31. August bis zum 3. September in Düsseldorf vorstellt, bei diesem größten Netzwerktreffen der internationalen Tanzszene gehen. Mehr als 120 Aussteller auf 900 Quadratmetern bieten Chancen zur Information und vor allem für die Vernetzung dieser „Tanz-Welt-Messe“. Dazu ein Festival mit mehr als 40 Veranstaltungen, bei denen an die 100 Kompanien auftreten werden.

Im Hinblick auf den Tanzkongress, vom 16. bis 19. Juni, in Hannover, betonen Sabine Gehm und Katharina von Wilcke, dass dieses „Leitkulturprojekt“ des Bundes sich insbesondere dem Tanz in der Gesellschaft widmen solle. Man wolle sich verstärkt fragen, wie der Tanz sich mit den Bedrohungen der Gegenwart auseinander setzt, wie er reagiert, sich der Verantwortung stellt. Aber es solle auch um vergessene Vertreterinnen feministischer Perfomancekunst gehen, um den Blick in „andere Länder, andere Zeitgenossenschaften“ sowie um die Reflexion von Traditionen gehen. Immer aktuell sind auch die Arbeitsweisen, vor allem Arbeitsbedingungen für den Tanz, dessen Internationalität derzeit durch aktuelle Visaprobleme Einschränkungen erfährt.

Aber es werden neben weiteren überregionalen Events wie der gerade beendeten 5. Biennale Tanzausbildung, dem Kongress für Tanzmedizin im Mai und anderem auch Aufführungen, Festivals unterschiedlicher Formate, Treffen, Workshops, Foren oder kulturpolitische Gespräche sowie ein Treffen tanzfördernder Stiftungen den Tanz in die gesellschaftliche Debatte bringen. Es geht um den Tanz in allen seinen Facetten, Traditionen und Erscheinungsbildern. Dazu gehören die Folklore ebenso wie der Gesellschaftstanz, der Tanz in therapeutischer Bedeutung, das zeitgenössische Experiment wie das klassische und neoklassische Ballett, die Auseinandersetzung mit den Formen des Deutschen Ausdruckstanzes.

Für Bertram Müller vom Vorstand des Dachverbandes ist dieses Tanzjahr 2016 unter der Schirmherrschaft von Kulturstaatsministerin Monika Grütters „ein Toleranzerfolg“ auf dem Weg zur weiteren gesellschaftlichen Anerkennung des Tanzes und der damit verbundenen Verbesserung der Produktionsverbindungen. Ganz aktuell, und da müsse man die Gunst eines solchen Jahres in jeder Stunde nutzen, um die Förderung der Tanzarchive, um die digitale Vernetzung und um die somit eigentlich überfällige Möglichkeit der Öffnung für Nutzer.

Und um vielleicht Menschen, die bislang kaum Gelegenheit hatten etwas von den mannigfaltigen Möglichkeiten des Tanzes zu erfahren, zu interessieren, hat das Tanzjahr prominente Botschafter gewinnen können. Sie kommen aus der Kultur, aus der Wirtschaft und aus der Politik. Eine dieser Botschafterinnen ist die Schauspielerin Senta Berger. Sie berichtet wie sie mit klassischem Tanz aufgewachsen ist, zum Ausdruckstanz kam, dann aber doch von der Wiener Tanzakademie ins Max-Reinhard-Seminar wechselte und bis heute als Schauspielerin auf die im Tanz erfahrenen Grundlagen der Möglichkeiten des körpersprachlichen Ausdrucks nicht verzichten möchte. Dass Tanz und Bildung in den Lehrplänen offensichtlich nicht zusammengehören ist für sie nicht annehmbar: „ Kunstfächer als Freifächer? Was tut man Jugendlichen damit an?“.

Am Abend dann, beim Bundespräsidenten und Frau Schadt geht es höfisch zu. Bei der Ankündigung des hohen Paares erhebt sich das Auditorium geladener Gäste. Joachim Gauck - offensichtlich ein Filmfan - ist begeistern von der Schöpfung als universellem Tanz und schwärmt von Stanley Kubrick Szene aus „2001 - Odyssee im Weltraum“, „Das ganze Weltall: ein Wiener Walzer“. Für den Theologen kann der Tanz „eine kosmische Ordnung spiegeln“. Und so würdigt er den Tanz als Ausdruck des Lebens, als eine Möglichkeit, die jedem Menschen offen stehe, die im Hinblick auf die gegenwärtigen Herausforderungen im Umgang mit Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, Menschen verbinden könne und an kein Alter gebunden ist. Er nennt einige bekannte Bespiele für die Internationalität des Tanzes in Deutschland, er ist erfreut, dass erstmals im Schloss Bellevue sich der Tanz präsentiere, „Das hat es hier noch nie gegeben...“, und kommt dann wieder zum Film. Für ihn sei selten in einem Kunstwerk wie dem Film „Der Kongress tanzt“ von 1931, „das so schwer erreichbare, das eigentlich unsichtbare, weil doch ganz und gar innerliche: das Glück selber nämlich, so ausdrücklich in bewegte und bewegende Bildsprache gefasst worden“. Am Ende seiner kurzen Laudatio auf den Tanz, als flüchtigster aller Künste, sagt der Bundespräsident: „Ewigkeit und Endlichkeit begegnen sich selten so intensiv wie im Tanz.“ Die gesamte Rede findet man hier.

Darauf tanzen Mitglieder vom Staatsballett Berlin Auszüge aus Nacho Duatos Choreografie „Vielfältigkeit, Formen von Stille und Leere“, wobei hier die Leere überwiegt.

Ein bewegender Moment, wenn nicht gar der bewegendste dieses Abends, ist der Auftritt des 1953 geborenen Tänzers Lutz Förster, den Pina Bausch 1975 an ihr Tanztheater engagierte. Er zeigt sein berühmtes Solo „The Man I Love“ aus „Nelken“ von 1982.

Zuvor hatte Paula Rosolen den schon angesprochenen Ausschnitt aus „Aerobics!“ präsentiert.

Auf sehr eigenwillige und zugleich faszinierende Weise zeigt der in Deutschland lebende japanische Choreograf Takao Baba mit der Kompanie E-Motion einen Ausschnitt aus „RÔNIN – MADE IN GERMANE“, in dem es um das Pendeln zwischen kulturellen Identitäten geht. Keine Frage, dieser Ausschnitt macht Lust auf mehr. Lustvoll und lustig zugleich, unangepasst und voll von mitreißendem Temperament präsentieren Mitglieder der interkulturellen Kompanie Cactus Junges Theater „Turn out to be“. Tanz gegen Klischees, afrikanischer Tanz trifft auf HipHop.

Und dann wird es so speziell wie erfrischend heiter. Der hoch aufgeschossene Schlags Hermann Heisig schlenkert und schäkert über die Tanzfläche des herrschaftlichen Schlosses. „SLAP/STIK“ heißt sein Solo, trüge er noch einen karierten Pullunder, man könnte ihn für den Olaf Schubert des Tanzes halten.

Zum Finale tanzen Mitglieder des Bayerischen Staatsballetts einen Ausschnitt aus Richard Siegals 2014 uraufgeführtem Ballett „UNITXT“. Vielleicht nicht die klügste Entscheidung, denn vom Charakter der als Gesamtkunstwerk aus Tanz, Klang, Raum und Licht kreierten Arbeit Siegals vermittelt sich eigentlich unter diesen Bedingungen wenig. Keine Frage, die sieben Tänzerinnen und Tänzer präsentieren Spitzenniveau, aber dass es dann doch ein wenig wirkt wie Forsythe light liegt nicht an ihnen.

Ob es damit zu tun hat, dass die Hauptfront der schönen Aussicht dieses Berliner Schlosses so konsequent nach Westen weist, dass auch an diesem Tag des Tanzes der Blick so konsequent nach Westen geht? Da werden Persönlichkeiten des Tanzes angesprochen wie Reid Anderson, Intendant des Stuttgarter Balletts oder Ivan Liška, Direktor des Bayerischen Staatsballetts, mehrfach John Neumeier und das Hamburg Ballett - war er überhaupt da? -, aber in der zweiten Reihe, vom Bundespräsidenten und der Moderatorin aus rechts gesehen, sitzt zum Beispiel Mario Schröder, Ballettdirektor und Chefchoreograf des Leipziger Balletts. Und es muss doch wohl so sein, dass im Osten Deutschlands auch getanzt wird, denn allein von den mehrfach angesprochenen über 60 festen Kompanien in Deutschland gibt es allein mindestens zehn in Sachsen. Aber das Tanzjahr ist noch jung, mit dem Alter kommt die Weisheit.

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