„Jewels“ von George Balanchine. Tanz: Krasina Pavloava, Marian Walter & Ensemble in „Emeralds“

„Jewels“ von George Balanchine. Tanz: Krasina Pavloava, Marian Walter & Ensemble in „Emeralds“

Aristokratischer Funkelglanz

Mit George Balanchines „Jewels“ ringt das Staatsballett um Zuschauer

In „Jewels“ präsentiert sich endlich wieder ein Staatsballett, das diesen Namen verdient: mit gut 50 Mitwirkenden und einer technischen Brillanz, die drei gestrenge Einstudierende vom Balanchine Trust auf Hochglanz gebracht haben.

Berlin, 24/05/2016

Um das Staatsballett Berlin steht es derzeit nicht zum besten. Geleitet wird Deutschlands mit gut 80 Tänzern größte Kompanie in der zweiten Spielzeit von einem besonders, doch nicht nur in der Presse heftig gescholteten Intendanten von erschreckend hoher Eigentorquote. Auch künstlerisch fällt seine Bilanz matt aus. In fataler Selbstherrlichkeit favorisiert er Mehrteiler, die bei Berlins Ballettklientel seit eh nicht auf Gegenliebe stoßen. Während mittlere und sogar kleinere Ensembles in Folge Uraufführungen stemmen und damit das Genre weiterentwickeln, wärmt Intendant Nacho Duato Werke aus seinem Privatfundus auf, manche durchaus akzeptabel, konnte sich nur zu einem einzigen Neuschnipselchen aufraffen und zehrt ansonsten vom Repertoire seines Ziehvaters Jiŕí Kylián.

In der Klassik krempelt er kräftig um, ersetzt läufige Werke durch eigene Übernahmen und tilgt aus dem Spielplan, was nicht konveniert. Wäre darin eine künstlerische Linie zu erkennen, außer einem Hin zu mehr abstrakten Stücken, ließe sich damit leben. Die Zuschauer aber stimmen mit den Füßen ab und bleiben bei missliebigen Abenden aus, was pekuniäre Folgen haben muss, und ein neues Publikum aus schieren Duato-Fans scheint noch nicht gefunden.

Für die letzte Premiere der Saison nimmt Duato Zuflucht bei einem mittlerweile auch schon knapp 50-jährigen Juwel aus der Goldschmiede des georgisch-amerikanischen Neoklassikers George Balanchine. Der Anblick von Edelsteinen habe ihn angeblich zu drei Miniaturen inspiriert, die unter der Klammer „Jewels“ in aller Welt nachgespielt wurden. Smaragde, Rubine und Diamanten heißen die einzelnen Teile, visualisieren Balanchines Eindruck von jenen Preziosen und feiern gleichsam verschiedene Epochen der Ballettgeschichte. Dass sie darüber hinaus eine Huldigung an den klassischen Tanz schlechthin und insonderheit an seine weiblichen Interpreten sind, versteht sich beim Frauenfreund Balanchine von selbst.

Weich und elegisch wie ein nächtlicher Traum ziehen zu Bühnenmusiken von Gabriel Fauré die „Emeralds“ vorüber: Zehn Tänzerinnen grundieren die noblen Variationen, Pas de deux und Trios von sieben Solisten, vereinen sich in edlen Tableaux und lassen die drei Herren sehnsüchtig knieend allein zurück. Als Hauptsolisten absolvieren Krasina Pavlova und Marian Walter blendend sicher ihren tänzerischen Parcours.

Auch in „Rubies“ dominieren Frauen: Die perfekt balanchineske Julia Golitsina bildet stets die Spitze der Formationen, noch vor dem strahlenden Solopaar Iana Salenko und Dinu Tamazlacaru. Zu einem Capriccio für Klavier und Orchester von Igor Strawinsky geht es erheblich explosiver zu, überraschender auch in den Formen und ein wenig, als schlage hier Balanchines Affinität zu Show und Entertainment anfeuernd zu Buche.

Tragen Witz und Esprit in sportivem Zuschnitt elektrisierend diesen Mittelteil, so sind die „Diamonds“ nicht nur Hommage an Peter Tschaikowsky und vier der fünf Sätze seiner Sinfonie Nr. 3, sondern im Bewegungsstil auch an Meister Marius Petipa, auf den sich Balanchine explizit beruft. Shoko Nakamura als Gast und wahrer Diamant doppelten Sinns darf ausgiebig den weißen Schwan zitieren und gemeinsam mit Partner Mikhail Kaniskin ein Ensemble aus Halbsolisten und Corps anführen, das sich in der majestätischen Schlusspolonaise zum pompösen Bild gruppiert.

Nach Mehrteilern mit je gedrittelter Mannschaft präsentiert sich in „Jewels“ endlich wieder ein Staatsballett, das diesen Namen verdient: mit gut 50 Mitwirkenden und einer technischen Brillanz, die drei gestrenge Einstudierende vom Balanchine Trust auf Hochglanz gebracht haben. Zum Funkeln trägt auch die neue Ausstattung bei: Kostüme des spanischen Modedesigners und Hof-Couturiers Lorenzo Caprile in den Edelsteinfarben, die sich vorm Grün, Rot respektive Blau der hochgeschlossenen Kabinette von Bühnenbildner Pepe Leal wie Kostbarkeiten auf samtigem Grund ausnehmen. Auch dem Orchester der Deutschen Oper, auf deren Bühne der Preziosen-Reigen auftrumpft, gewinnt Robert Reimer Strahlglanz ab. Ob mit dieser aristokratischen Reminiszenz verprellte Zuschauer zurückgewonnen werden können: Den formidablen Tänzern wäre es zu wünschen.

Wieder 26., 29.5., 10., 19.6., www.staatsballett-berlin.de
 

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