Das Leben – ein Tanz!
„D-Man in the Waters/Generation Y(UA)“
Spannender Kontrast zwischen Bill T. Jones’ „D-Man in the Waters“ und Antoine Jullys „Generation Y“
„Dead Man Walking“ ist der Titel eines Buches, nach dem der amerikanische Film und die Oper von Jake Heggie über die letzten Schritte eines zum Tode Verurteilten vor der Hinrichtung entstanden als Appell gegen die Todesstrafe. Bill T. Jones hat seine, auf den ersten Blick harmlos verspielte Choreografie auf Felix Mendelssohn Bartholdys Streichoktett opus 20 „D-Man in the Waters“ genannt und darin Bezug genommen auf die verheerende, tödlich endende Muskelschwäche seines Tänzers Demian Acquavella, die während der Proben zur Uraufführung 1989 diagnostiziert wurde. Ursprünglich sollte das Stück, so zitiert das Programmheft des Oldenburgischen Staatstheaters Jones, „eine instinktive Antwort auf die ausgelassenen und brodelnden Gedanken des 16-jährigen Mendelssohn zu Wellen und Wasser sein. Ich wollte, dass die Choreografie Spielplatz-Eskapaden andeutet - eine verrückte, irrsinnige Erforschung des Bühnenrahmens und der möglichen Kombinationen mit einem Ensemble von neun Tänzerinnen und Tänzern.“
Bei der Neuaufführung dieses Klassikers zeitgenössischen Tanzes aus der ‚Neuen Welt’ vermutet man den ernsten Hintergrund in keiner Weise. Unbefangen tanzt Antoine Jullys BallettCompagnie Oldenburg die Szenen ganz nach Jones' ursprünglichem Plan in Schilffarbenen Jumpsuits und T-Shirts mit Tarnmuster (Kostüme: Liz Prince). Es ist unterhaltsam zu sehen, wie sie sich balgen, miteinander verknoten, Purzelbäume rückwärts schlagen, bäuchlings über den Boden schlittern, sich gegenseitig in die Höhe werfen, aus dem Hechtsprung fangen - erstaunliche Akrobatik mit HipHop-Elementen schon damals also (Einstudierung: Janet Wong). Streicher des Staatsorchesters begleiten dazu aus dem hochgefahrenen Orchestergraben.
Wirklich spannend wird dieser neue Ballettabend aber erst durch die folgende Uraufführung von Jullys „Generation Y“ - Kürzel für die karrieresüchtigen Yuppies zur Entstehungszeit von Jones' Choreografie - auf die grandios theatralische 5. Sinfonie von Sir Malcolm Arnold, die das Staatsorchester unter Elias Corrinth vorzüglich spielt. Ganz nah bleibt der Choreograf an Jones' Dramaturgie, Formationen, Körper- und Raummustern. Das Ambiente ist theatralisch veredelt mit Nebelschwaden und einem glitzernden Metallnetz, das von oben in den Raum ragt. Einsamkeit und Zweisamkeit blitzen in den Gruppierungen immer wieder auf. Zum Schluss haben sich vier Paare gefunden - einer bleibt allein zurück.
Jully bleibt trotz aller Zitate ganz in seiner eigenen Handschrift und dem virtuosen neoklassischen Stil, der die unbekümmert wilden Spielplatz-Kids zu eleganten Reichen von damals stilisiert. Dabei nimmt er immer wieder kurze Passagen solistisch hervortretender Musikinstrumente oder rhythmische Besonderheiten der Komposition auf und setzt sie in witzige, prägnante Bewegungen um. Es ist vielleicht die bislang reifste, geschlossenste Kreation des ehemaligen Schläpfer-Tänzers. Aus der Vogelperspektive vom 2. Rang aus betrachtet, sind die Raummuster ein selten gewährter Augenschmaus für Tanzliebhaber.
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