Sprühende Funken
Das Ballett des Staatstheaters am Gärtnerplatz verabschiedet sich mit „Sparks“ in die Spielzeitpause
Minutemade - Act One: Einweihung der Studiobühne des Gärtnerplatztheaters
Karl Alfred Schreiner und Münchens freie Tanzszene haben sich im Blick. So kommt es immer wieder vor, dass das Ballettensemble des Gärtnerplatztheaters und sein Direktor öffentliche Räume bei Open-Door- oder anderen Events mit eigenen Ideen in Bewegung versetzen. Der Kreativität und körperlichen Exzentrik fernab vom Repertoirebetrieb freien Lauf zu lassen, scheint die Kompanie zu schätzen. Genau wie die strikt einwöchige Probenzeit mit Gastchoreografen für Schreiners kleinformatigen Erfindungshit „Minutemade“, für den viele dieses Mal keine Karten mehr ergattern konnten.
Unlängst hatten sich der Münchner Tänzer und Choreograf Moritz Ostruschnjak mit Daniela Bendini, der stellvertretenden Ballettdirektorin am Gärtnerplatz, für die emotionslos-zukunftsvisionäre Choreografie „BOIDS“ im Schwere Reiter zusammengetan. Schreiner war beeindruckt und vertraute dem Team die Eröffnungssequenz von „Act One“ an – seiner ersten „Minutemade“-Ausgabe auf der Studiobühne des Stammhauses. Hufeisenförmig mit 150 Plätzen bestuhlt und über ein Leitsystem des bestens gelaunten Einlasspersonals zu erreichen, wurde die neue Location des Hauses damit furios eingeweiht.
Ostruschnjak und Bendini ließen die Tänzer auf nüchternem Plateau in schwarzen Klamotten durch Schummerlicht und zu Beats von Max Lange schwofen. Erst sieht man wenig, dann bewegt sich solistisch und im Kollektiv immer mehr. Es ist ein Kommen und Gehen, das sich zwischenzeitlich zu einem wabernden Discoknödel verdichtet – einer Materie Mensch, wo Arme und Beine auf Erkundungstour unter den Klamotten der Nachbarn herumstreifen. Hier gezerrt, dort geschoben, verbiegen sich die einzelnen Körper mehr und mehr. Auffällig dabei die Tendenz, rücklings zum Boden hingezogen die Bühne zu durchqueren.
Wie bei Nico Haaks Lied „Schmidtchen Schleicher“ kommen die Interpreten mit eingeknickten Gelenken und elastischen Gliedern daher. Das derart weidlich ausgespielte Vokabular nutzt der Norweger Stijn Celis – seit 2014 Ballettchef am Saarländischen Staatstheater – hemmungslos als Steilvorlage. Zu imaginativen Songs von Laurie Anderson („The owl and the pussycat went to sea“) führt er das Stück nahtlos fort. Erst schickt er die Männer mit freien Oberkörpern, später die Frauen in linearer Formation mit zuckenden Köpfen und sich stereotyp wiederholenden Bewegungsmustern auf die Fläche. Federnder und athletischer in der technischen Qualität entwickelt sich dann eine bizarre Ensemblechoreografie.
Die Tänzer sind prächtig drauf und in diversen Paarkonstellationen ineinander vernarrt. Ihre Tollheiten erinnern an eine Spielwiese von Faunen und Nymphen. Für Momente irrer Selbstverliebtheit setzt Celis tragbare Spiegelfolienwandteile ein. Mit einem Anflug von Laufsteg-Allüre kommt es zum krassen Wendepunkt. Let’s Party ist das finale Motto – und Abtanzen können die Mitglieder des Gärtnerplatztheaters bestens. Nur gucken? Gibt’s bei dieser Soap-Episode nicht! Am Ende veitstanzen Profis und Publikum gemeinsam um Kästen von Freibier herum.
Die Fortsetzung der am 23. März nochmals gezeigten Wahnsinnsfete muss in „Act Two“ der Belgier Damien Jalet finden. Spannung verspricht schon dessen künstlerischer Background: die Zusammenarbeit mit Ultima Vez von Wim Vandekeybus und mit Sidi Larbi Cherkaoui. Wer Karten will, sollte schnell sein.
„Act Two“ der Dance-Soap „Minutemade“: 23. März auf der Studiobühne des Gärtnerplatztheaters
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