„Encounters“ von Olga Pona

Von Menschen und Maschinen

Olga Pona stellt "Encounters" in Münster vor

Mit ihrem Chelyabinsk Contemporary Dance Theatre, das sein 25-jähriges Jubiläum in der russischen Industriestadt am Ural begeht, zeigt Pona im Pumpenhaus einmal mehr die grenzenlosen Möglichkeiten zeitgenössischer Tanzbewegungen auf.

Münster, 27/01/2018

Dichter Nebel, dicke Qualmwolken wabern im Raum. Smog legt sich schwer über Bühne und Zuschauertribüne. Maschinen stampfen im Off mit enervierender Monotonie. Ein Zug rattert vorbei. Glocken klingen, Quietschen und Pfeifen ist zu hören. Später tönen aus den Lautsprechern Klavierpassagen und Fetzen amerikanischer Unterhaltungsmusik. In diesem unwirtlichen Ambiente taucht lautlos ein zauberhaftes Wesen auf. Elfengleich reckt und streckt das zarte Blondinchen ganz in Weiß die Gliedmaßen von sich, rundet die Arme fast wie zum klassischen Port de bras, windet und dreht sich wie eine Marionette.

Schemenhaft wird hinten eine herbe Hochgewachsene sichtbar. Nur ein flüchtiger Blickkontakt – dann bringt diese andere ihren Bewegungsapparat ebenso präzise mit mechanischem Gleichmaß in Gang. Ein gleißender Spot hebt eine weitere Tänzerin aus der kleinen Gruppe später hervor. Immer mehr betreten die Vorderbühne von Münsters Theater im Pumpenhaus bei der Deutschen Erstaufführung von Olga Ponas „Encounters“ mit ihrem Chelyabinsk Contemporary Dance Theatre, das in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum in der russischen Industriestadt am Ural begeht (weitere Tournee-Stationen in Deutschland sind Landsberg und Aschaffenburg im Februar).

Kaum länger als einen Wimpernschlag ist der ganze Raum zappenduster. Danach präsentiert sich die ganze quadratische, weiße Tanzfläche. Zu den Seiten gerafft bleiben die Vorhänge nur knapp sichtbar. An der Rückwand wurden zwei schwarze Gitter montiert, auf denen die 14 Tanzenden akrobatische Kunststücke vollführen – dank feinster Beleuchtungseffekte und Farbspiele von hoher Ästhetik, Poesie, aber gelegentlich auch sehr witzig. Noch ein Wimpernschlag Finsternis setzt die Zäsur zum Finale. Nun stehen die Gittergerüste frei auf der Hinterbühne, verbunden durch ein Querbrett, auf dem ein Solist turnt, während auf beiden Seiten kleine Ensembles eine Bewegungsorgie von berückender Harmonie und Kunstfertigkeit vollführen. Der Mensch triumphiert über die Maschine – Kunst besiegt Industrie, so Olga Ponas eindrückliches Fazit.

Danach schildert der Italiener Riccardo Buscarini in seiner Kurzchoreografie „Silk“ eine kleine Reise, entstanden auf Einladung von Pona in Chelyabinsk mit deren Ensemble. Zehn Tanzende rollen und kullern darin 20 Minuten lang rund um die Tanzfläche. Während später einige in Zeitlupe wie Käfer übereinander steigen, verharren andere in absoluter Starre beobachtend. Nach dem einstündigen Fest grenzenloser Möglichkeiten zeitgenössischen Tanzes in „Encounters“ ist die kurze Zehn-Personen-Choreografie weder Kontrastprogramm noch Rausschmeißer oder Absacker, sondern allenfalls eine rührende Hommage auf die russische Ikone des zeitgenössischen Tanzes und ihre im Osten Europas unerreichte, intellektuelle wie originelle Bewegungsvielfalt.

 

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